Wir werden heute älter als je zuvor. In Deutschland liegt die durchschnittliche Lebensspanne derzeit bei etwa 81 Jahren, mit individuellen Ausreißern nach oben und unten.
Die Lebenserwartung hat sich in den vergangenen 150 Jahren verdoppelt (Statistisches Bundesamt [Destatis], 2025), wozu unter anderem die Fortschritte in medizinischer Versorgung und Ernährung, aber auch verbesserte Arbeitsbedingungen und gestiegener materieller Wohlstand beigetragen haben.
Kontinuierlich verbesserte Präventions- und Therapiemöglichkeiten spielen in diesem Zusammenhang ebenfalls eine zentrale Rolle.
Demografischer Wandel als Herausforderung und Chance
Bis 2040 – also bereits in 15 Jahren – werden in Deutschland 20,8 Millionen Menschen älter als 67 Jahre sein (Statistisches Bundesamt [Destatis], 2022). Der demografische Wandel bringt große gesellschaftliche, wirtschaftliche und soziale Herausforderungen mit sich. Nachhaltige Visionen für gesundes Altern sind gefragt.
Longevity wird zu einem zentralen Thema für die Gesellschaft, Wissenschaft und den Gesundheitssektor. Schließlich geht es darum, in welcher Form etwa ein Viertel der Bevölkerung weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilnehmen kann – und zwar aktiv und selbstbestimmt, statt am Rollator.
Interviews zum Thema | Weitere Interviews und Hintergründe
Der Hype um Longevity bietet eine große Chance für die Fitness- und Gesundheitsbranche. Aufgrund der Fachkompetenz von Studiobetreibenden sowie Trainierinnen und Trainern ist sie hervorragend aufgestellt und bietet seit Jahrzehnten Lösungsperspektiven und geeignete Trainingskonzepte – auch für eine alternde Gesellschaft.
Hier schlummert ein enormes Potenzial für Fitness- und Gesundheitsstudios, um sich als kompetente Gesundheitsbegleiter zu positionieren und die wachsende Zielgruppe als neue Mitglieder früh für das Training zu begeistern (Interessant dazu: 'Gesundheitspartner für Best Ager' (ab 22.08.2025 online verfügbar oder auf Seite 94 in der aktuellen fMi lesen).
Folgerichtig wurde dem Zukunftsthema Longevity auf der FIBO 2025 in Halle 1 viel Raum gewidmet. In Köln wurden vier Tage lang aktuelle Forschungsergebnisse, Trends und Potenziale diskutiert, präsentiert und vor Ort getestet.
Qualität bewährt sich
Auch der DSSV e. V. setzt 2025 ein klares Zeichen für die Relevanz von Fitnesstraining als zentraler Baustein für die Gesundheit der Gesellschaft. Er hat eine umfassende Qualitätsoffensive gestartet, um die Fitnessbranche stärker als Gesundheitsdienstleister zu etablieren.
Ziel ist es, qualifiziertes Fitnesstraining als Prävention anzuerkennen und die gesellschaftliche sowie politische Akzeptanz zu steigern. Durch wissenschaftliche Studien, Aufklärungskampagnen und Veranstaltungen sollen Vorurteile abgebaut und konkrete Maßnahmen zur besseren Integration der Branche in das Gesundheitssystem entwickelt werden.
Kooperationen mit Bildungseinrichtungen und eine stetige Qualitätssteigerung in der Ausbildung des Personals sollen Fitnessstudios als unverzichtbare Partner für Krankenkassen und Sozialversicherungsträger positionieren. Auch diese Initiative des DSSV-Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen nutzt den demografischen Wandel als Chance.
Lifespan vs. Healthspan
Wörtlich übersetzt heißt 'Longevity' Langlebigkeit, was bedeutet, länger als der Durchschnitt zu leben. Mit einem Alter von 122 Jahren ist die Französin Jeanne Calment die älteste Person, deren Lebensdaten verlässlich dokumentiert sind.
Doch der Trend Longevity geht weit über ein langes Leben hinaus und zielt darauf ab, ein hohes Alter bei möglichst guter Gesundheit zu erreichen. Denn während die Lebensspanne (Lifespan) steigt, hat sich die Gesundheitsspanne (Healthspan) nicht im gleichen Maße weiterentwickelt, sondern fällt deutlich kürzer aus.
In höherem Alter wird die Gesundheit zum Problem. Im Durchschnitt verbringen Menschen ihre letzten zehn Jahre mit mindestens einer chronifizierten Erkrankung. Zu den häufigsten Erkrankungen im Alter gehören vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, muskuloskelettale Erkrankungen sowie psychische Störungen wie Depressionen.
Der Hype um Longevity bietet eine große Chance für die Fitness- und Gesundheitsbranche
Anke Sörensen
Ziel soll es sein, die Kluft zwischen Lebens- und Gesundheitsspanne zu verringern. Longevity steht dafür, die Zahl der Jahre, in denen ein Mensch frei von chronischen Krankheiten und körperlichen Einschränkungen lebt, zu verlängern.
Möglichst optimale Bedingungen wie viel Bewegung, ausreichend Schlaf, gesunde Ernährung, wenig Stress und ein positives soziales Umfeld können dazu beitragen, gesundheitliche Risikofaktoren zu minimieren. Es geht darum, die Lebensqualität zu verbessern und bis ins hohe Alter körperlich und geistig leistungsfähig, aktiv und selbstbestimmt zu bleiben sowie am Sozialleben teilnehmen zu können.
Interdisziplinäre Forschung
Die eine Pille gegen das Altern gibt es nicht. In der Forschung wird viel über die Mechanismen diskutiert, die zum Alterungsprozess beitragen. Longevity wird in den verschiedensten Bereichen erforscht: Die Molekularbiologie analysiert zelluläre Alterung, genetische und epigenetische Faktoren.
Die Ernährungswissenschaft untersucht Kalorienrestriktion, Fasten und das Mikrobiom. Pharmakologische Ansätze befassen sich mit Anti-Aging-Medizin. In der regenerativen Medizin stehen Stammzelltherapien und Gewebeverjüngung im Fokus. Ergänzend werden digitale Gesundheitstechnologien, Alters-Biomarker, KI-gestützte Prävention sowie Aspekte kognitiver Gesundheit und gesellschaftliche Auswirkungen eines längeren Lebens untersucht.
Bewegung als Lösung
Langlebigkeit ist ein komplexes Zusammenspiel genetischer, zellulärer und umweltbedingter Einflüsse. Zahlreiche Studien belegen, dass körperliche Aktivität einen wesentlichen Einfluss auf gesundes Altern hat und eine zentrale Rolle dabei spielt, die Lebenserwartung zu verlängern.
So zeigte eine taiwanesische Studie mit über 400.000 Teilnehmenden, dass bereits 15 Minuten moderate Aktivität pro Tag das Sterberisiko um 14 Prozent senken (Wen et al., 2011). Und laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) ließen sich weltweit jährlich bis zu fünf Millionen vorzeitige Todesfälle vermeiden, wenn Menschen ausreichend aktiv wären (2018).
Positiver Effekt auf biologische Faktoren
Insbesondere körperliche Aktivität in Form von gezieltem Training hat durch das komplexe Zusammenspiel genetischer, zellulärer und umweltbedingter Einflüsse konkrete positive Effekte auf den menschlichen Organismus und dessen Alterungsprozess. Unter anderem sind das folgende:
Telomerlänge: Telomere sind die Schutzkappen am Ende der Chromosomen. Ihre Länge gibt Hinweise auf das biologische Alter. Eine Verkürzung ist ein Marker für zelluläre Alterung. Studien zeigen, dass regelmäßige Bewegung mit einer verlangsamten Telomerverkürzung assoziiert ist (vgl. Gleichmann, Gleichmann & Gleichmann, 2011). Mitochondriale Funktion: Die Energieproduktion der Zellen nimmt mit dem Alter ab. Ausdauertraining fördert die Neubildung von Mitochondrien und deren Effizienz (vgl. San-Millán, 2023).
Chronische Entzündungen: Mit dem Alter steigt das Entzündungsaltern im Körper, auch Inflammaging genannt. Bewegung wirkt antiinflammatorisch und senkt Entzündungsmarker wie CRP (C-reaktives Protein).
Hormonhaushalt: Körperliche Aktivität reguliert hormonelle Prozesse, wie die Ausschüttung von Insulin, Wachstumshormonen und Cortisol – zentralen Regulatoren des Stoffwechsels und der Zellalterung.
Training schlägt Genetik
Die genetische Veranlagung hat zwar ebenfalls einen Einfluss auf den Alterungsprozess und damit auf die persönliche Lebenserwartung jedes Einzelnen, doch ist dieser vergleichsweise gering.
Ein Beispiel: Beim Vergleich der Lebensspanne eineiiger Zwillinge wurde der Einfluss der Gene auf etwa zehn bis 15 Prozent geschätzt (Melzer, Pilling & Ferrucci, 2020). Viel entscheidender wird das Altern durch den individuellen Lebensstil – u. a. Ernährung, Schlaf, Bewegung, Stress und soziales Umfeld – sowie äußere Einflüsse beeinflusst.
VO2max und Griffkraft
Zunehmend etablieren sich zwei Referenzgrößen, anhand derer sich nicht nur die Fitness sondern auch das allgemeine gesundheitliche Risiko beurteilen lässt. Die VO2max zeigt, wie viel Sauerstoff ein Mensch unter maximaler Belastung aufnehmen, in die Muskeln transportieren und dort verarbeiten kann.
Es ist erwiesen, dass eine höhere VO2max in der Lebensmitte auf eine längere Lebenserwartung schließen lässt. Zum anderen gilt die Griffkraft der Hand als Indikator für allgemeine Kraftfähigkeit. Auch hier zeigen Studien, dass ein Verlust von fünf Kilo Handgriffkraft mit einer Zunahme des gesamten Sterberisikos von 16 Prozent einhergeht (Barz, 2025).
Trainingsformen wie Ausdauer- und Kraftsport tragen wesentlich dazu bei, den Alterungsprozess zu verlangsamen.
Anke Sörensen
Im Sinne der Longevity ist das Ziel, die Griffkraft und die VO2max bereits im mittleren Lebensalter so weit wie möglich zu erhöhen, damit die Werte – trotz altersbedingtem Abbau – auch im Alter auf hohem Niveau sind.
„Still going strong“
Fitness- und Gesundheitsstudios sind mit ihrem Angebot, Know-how und ihrer Erfahrung perfekte Longevity-Partner. Gut ausgebildete Trainerinnen und Trainer können glaubwürdig kommunizieren, zielgruppengerecht beraten und individuell auf ihre Mitglieder zugeschnittene Trainingspläne erstellen.
Dabei ist regelmäßiges Training wichtig, das die Leistungsfähigkeit steigert und möglichst in jungen Jahren beginnt. Schließlich verlieren Menschen schon ab dem 30. Lebensjahr Muskelmasse, wenn sie nicht trainieren. Doch selbst, wenn Menschen erst im Alter mit dem Training beginnen, können sie noch relevante und messbare Erfolge erzielen.
Studioangebot passt perfekt zu Longevity
Trainingsformen wie Ausdauer- und Kraftsport tragen wesentlich dazu bei, den Alterungsprozess zu verlangsamen und die Gesundheitsspanne zu verbessern. Regelmäßiges Cardiotraining stärkt das Herz-Kreislauf-System, senkt außerdem den Blutdruck sowie das LDL-Cholesterin und reduziert das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle.
Generell nimmt die Muskelmasse im Alter schneller ab. Krafttraining beugt dem Prozess der Sarkopenie vor, verbessert die funktionale Autonomie und senkt das Risiko für Stürze und Pflegebedürftigkeit (mehr dazu: 'Kombiniertes Training, um gesund zu altern', bald online verfügbar oder auf Seite 106 in der aktuellen fMi lesen). Zusätzlich relevant für ältere Mitglieder ist Beweglichkeits- und Koordinationstraining, weil es das Gleichgewicht stärkt und zur Sturzprävention dient.
Wer sich regelmäßig bewegt, senkt nicht nur sein Risiko für chronische Krankheiten, sondern verbessert auch seine biologische Resilienz auf mehreren Ebenen – von der Zellgesundheit bis hin zur psychischen Stabilität. Für die Praxis gilt: Jeder Schritt zählt. Das Ziel ist die nachhaltige Integration von Bewegung in den Alltag, je früher desto besser. Neben einem hohen Maß an Alltagsaktivität ist gerade das gezielte Training im Fitnessstudio entscheidend für ein langes beschwerdefreies Leben.
Longevity in Wissenschaft und Praxis
Marcel Reuter, Sportwissenschaftler an der DHfPG, hat zu Longevity geforscht. Er zeigt, warum Kraft- und Ausdauertraining die zentralen Bausteine für gesunde Langlebigkeit sind und wie die Branche diesen Trend bedienen kann.
Auch bei Kieser wird die Auswirkung von Krafttraining auf den Körper seit 15 Jahren erforscht. Warum Longevity dort gelebte Praxis ist, welchen Stellenwert qualifiziertes Personal hat und warum regelmäßig trainiert werden sollte, erläutert Patrik Meier, COO der Kieser Traing AG.
Auszug aus der Literaturliste
Wen, C. P., Wai, J. P. M., Tsai, M. K., Yang, Y., Cheng, T. , Lee, M.-C. (2011). Minimum amount of physical activity for reduced mortality and extended life expectancy: a prospective cohort study. The Lancet, 378 (9798), 1244–1253.
World Health Organization (2018). Global action plan on physical activity 2018–2030: More active people for a healthier world. Geneva: WHO, S. 6.
Gleichmann, U. Gleichmann, U-S. & Gleichmann , S. (2011). Von der kardiovaskulären Prävention zur Anti-Aging-Medizin: Einfluss auf Telomere und Zellalterung. Deutsche Medizinische Wochenschau, 136 (38), 1913–1916.
Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte literatur@fitnessmanagement.de.
Diesen Artikel kannst du folgendermaßen zitieren:
Sörensen, A. (2021). Add Life to Years. fitness MANAGEMENT international, 4 (180), 26–33.