Prävention und Therapie mit Medizinischer EMS: Effektiv und innovativ gegen nicht-spezifischen Rückenschmerz

Evidenzbasiert, wirksam und sicher: Therapiekonzept Medizinische Elektromyostimulation (EMS) auf Basis der Elektrotherapie stärkt den Rücken nachhaltig.
Lesezeit: 4 Minuten
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Weg mit dem Schmerz: Rückenschmerzen mit medizinischer EMS behandeln
Weg mit dem Schmerz: Rückenschmerzen mit medizinischer EMS behandeln
Rückenschmerzen zählen zu den meistverbreiteten Beschwerden in der Bevölkerung und sind Hauptursache für Krankschreibungen. In 80 Prozent der Fälle liegen nicht-spezifische Rückenschmerzen, also ohne eindeutige Ursache, vor. Deshalb sind physiotherapeutische Maßnahmen so wichtig, die in der Therapie wirken und gleichzeitig ein großes präventives Potenzial bieten. Die Medizinische Elektromyostimulation (EMS) ist ein Therapiekonzept auf Basis der Elektrotherapie, das die Rückenmuskulatur nachhaltig stärkt – evidenzbasiert, wirksam und sicher.

Die „Medizinische Elektromyostimulation (EMS) ist eine sinnvolle Form der therapeutischen Bewegung für Patienten mit chronisch nicht-spezifischem Rückenschmerz und  hat zudem auch einen herausragenden prophylaktischen Stellenwert in dieser Indikation inne,“ so PD Dr. Bernd Wegener, Orthopädische Klinik und Poliklinik, Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München.

'Rücken' im Fokus der Wissenschaft

Da Rückenschmerzen zu den häufigsten Gesundheitsbeschwerden in der Bevölkerung zählen und Spitzenreiter bei der Ursache für Arbeitsunfähigkeit und frühzeitige Berentung sind, rückt die Medizinische EMS als wirksame und zeiteffektive Maßnahme zur Prävention und Therapie des nicht-spezifischen Rückenschmerzes zunehmend in den Fokus (Bundesärztekammer [BÄK], Kassenärztliche Bundesvereinigung [KBV], Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften [AWMF], 2017).

Schonen ist keine Option

Muskuläre Dysbalancen wie Muskelverspannungen oder eine insuffiziente Rumpfmuskulatur gelten als Ursachen für nichtspezifische Rückenschmerzen, unter denen bis zu 80 Prozent der betroffenen Personen leiden (BÄK, KBV & AWMF, 2017; Chibuzor-Hüls, Casser & Geber, 2020). Nicht-spezifische Rückenschmerzen neigen zur Chronifizierung.

Als Risikofaktoren hierfür gelten sitzende Tätigkeiten, geringe körperliche Kondition, Stress, Rauchen und Übergewicht sowie psychosoziale, arbeitsplatzbezogene oder iatrogene Faktoren (BÄK, KBV & AWMF, 2017).

Zunahme der Symptomatik

Da nicht-spezifische Rückenschmerzen häufig mit einer Bewegungsvermeidung und entsprechender Minderbeanspruchung der wirbelsäulenstabilisierenden Rumpfmuskulatur einhergehen, kommt es durch einen konsekutiven Muskelabbau zu einer fortschreitenden Insuffizienz der Rumpfmuskulatur und zu einer Zunahme der Symptomatik (Chibuzor-Hüls, Casser & Geber, 2020; Konrad et al., 2020).

Mangel an Zeit und Motivation

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, empfiehlt die nationale und europäische Leitlinie aktive Bewegung und regelmäßige körperliche Betätigung als effektivste Therapie nicht-spezifischer Rückenschmerzen (BÄK, KBV & AWMF, 2017). Hierfür fehlt jedoch vielen Betroffenen die Zeit oder auch die Motivation, oder sie sind durch degenerative Erkrankungen anderer Gelenke in ihrer Mobilität limitiert.

Bewegung zugänglich machen

Daher besteht ein hoher Bedarf, körperlich passiven Menschen Bewegung zur Erhaltung und Wiederherstellung der muskulären Balance für einen gesunden Bewegungsapparat leichter zugänglich zu machen.

Hier kann die Medizinische EMS mit ihrer besonders gelenkschonenden Anwendung, ihrem hohen Grad an Individualität sowie der persönlichen Betreuung durch einen erfahrenen Therapeuten eine hervorragende Möglichkeit der muskuloskelettalen Stabilisation in Prävention und Therapie bieten. 


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Physiologische Muskelkontraktion als Basis

Die Medizinische EMS beruht auf den physiologischen Prozessen der Muskelkontraktion, mit dem Unterschied, dass bei Medizinischer EMS die Muskelkontraktion durch einen externen elektrischen Impuls gesetzt wird. Die Impulse werden über Elektroden abgegeben, die im Rumpfbereich und den proximalen Extremitäten (Ganzkörper-EMS) angebracht sind (Egeler et al., 2019).

Simultanes Aktivieren von Agonisten & Antagonisten

Durch simultanes Aktivieren von Agonisten, Antagonisten und schwer zu erreichenden Stabilisatoren können die Muskeln intensiver und länger trainiert werden. Zudem verhindert eine gleichzeitige EMS-Anwendung auf allen großen Muskelgruppen einseitige Belastungen und muskuläre Dysbalancen.

Eine Anwendung von Medizinischer EMS erfolgt in einer 20-minütigen Session einmal wöchentlich (maximal alle vier Tage) anhand einer persönlichen und individuellen Betreuung.



Medizinische EMS – belegte Wirksamkeit 

Mit Medizinischer EMS könne bei nicht-spezifischen Rückenschmerzen signifikant die rumpfstabilisierende Muskelmasse gesteigert und lumbale Rückenschmerzen verbessert werden, so Prof. Dr. Wolfgang Kemmler, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Auch zeigt Medizinische EMS in verschiedenen wissenschaftlichen Studien eine im Vergleich zu konventionellen Therapiestrategien gleichwertige Wirksamkeit bei der Behandlung von nicht-spezifischen Rückenschmerzen.

Gleiche Wirkung bei geringerem Zeitaufwand

So untersuchte eine prospektive, kontrollierte nichtrandomisierte klinische Studie die Wirksamkeit eines multimodalen Behandlungsprogramms mit der Medizinischen EMS (6 Monate lang, 20 Minuten wöchentlich) bei Patienten mit nicht-spezifischem Rückenschmerz. Hierbei zeigte sich eine mindestens gleichwertige Wirksamkeit der Medizinischen EMS bei wesentlich geringerem Zeitaufwand.

EMS zeigt ihre Wirkung

So verbesserte sich in der EMS-Gruppe der primäre Endpunkt, die Numeric Rating Scale (NRS 1–10), klinisch signifikant um zwei Punkte. Auch bei den sekundären Endpunkten zeigte die EMS ihre Wirkung: Der Oswestry Disability Index (ODI) reduzierte sich um 19,7 Punkte, das North American Spine Society Instrument (NASS) und die meisten der SF-36-Fragebogen-Items verbesserten sich ebenfalls signifikant.

In der Gruppe mit multimodalem Behandlungsprogramm zeigte sich lediglich eine leicht verbesserte Muskelfunktion, der primäre Endpunkt (NRS) verbesserte sich nicht signifikant (Konrad et al., 2020).

EMS vs. konventionelles Rückenkräftigungstraining

Auch im Vergleich mit einem konventionellen Rückenkräftigungstraining konnte die Medizinische EMS bei Patienten mit chronischem nicht-spezifischem Rückenschmerz punkten: In der kontrollierten multizentrischen Studie wurde die Wirksamkeit eines konventionellen Rückenkräftigungstrainings (45 Minuten/Woche, 12 Wochen lang) mit der Anwendung von Medizinischer EMS (20 Minuten/Woche, 12 Wochen lang) verglichen.

Die mittlere Schmerzintensität nahm in beiden Gruppen signifikant ab (EMS -22,3 ± 20,9 % vs. konventionelles Training -30,2 ± 43,9 %; p ≤ 0,001), ohne signifikanten Unterschied zwischen den beiden Gruppen (p = 0,160). Zudem nahm die maximale isometrische Kraft der Rumpfmuskulatur in beiden Studiengruppen signifikant zu (Weissenfels et al., 2019).

Rückenmuskulatur: Zunahme der isometrischen Kraft um 15,6 Prozent (± 24,9 %) in der EMS-Gruppe vs. 23,0 Prozent (± 30,9 %) in der Gruppe mit konventionellem Training (p ≤ 0,001) (Weissenfels et al., 2019).

Rumpfbeuger: Zunahme der isometrischen Kraft um 17,6 Prozent (± 24,8 %) in der EMS-Gruppe vs. 18,1 Prozent ± (24,8 %) in der Gruppe mit konventionellem Training (Weissenfels et al., 2019).

Medizinische EMS – Safety first 

Im EMS-Bereich forschende Trainingswissenschaftler der Universitäten Köln, Kaiserslautern und Erlangen haben im Jahr 2017 Sicherheitsrichtlinien erarbeitet, um neben der gewünschten Effektivität auch eine umfassend sichere Anwendung der Medizinischen EMS gewährleisten und potenzielle Nebenwirkungen bei nicht fachkundigem Gebrauch vermeiden zu können.

Ärztliche Freigabe bei etwaigen Auffälligkeiten

Diese Richtlinien postulieren zum einen die Anwendung von Medizinischer EMS durch ausgebildete und lizensierte EMS-Trainer oder wissenschaftlich geschultes Personal. Zum anderen wird eine exakte Erfragung und Dokumentation von möglichen Kontraindikationen und die ärztliche Freigabe bei etwaigen Auffälligkeiten vor Erstanwendung gefordert.

Zudem regeln die Leitlinien die Vorbereitung und Durchführung der Medizinischen EMS sowie die zu beachtenden Sicherheitsaspekte während und nach der Anwendung (Kemmler et al., 2016).

Physiotherapie am Puls der Zeit

„Medizinische EMS muss gezielt ausgeführt werden und auf die Bedürfnisse und Diagnosen der Patienten und Kunden abgestimmt sein. Dies kann nur unter direkter Betreuung eines fachkundigen EMS-Trainers erfolgen“, so Stefan Wels, Gesundheitszentrum Chiemgau.

Dem Physiotherapeuten, der aufgrund seiner medizinischen Expertise eine individuelle, medizinisch abgestimmte und persönliche Betreuung je nach zugrunde liegendem Beschwerdebild gewährleisten kann, kommt dabei ein besonderer Stellenwert zu.

Große Vorteile durch fachkompetente Betreuung

Insbesondere älteren, gesundheitlich eingeschränkten oder bewegungsunerfahrenen Anwendern bringt eine fachkompetente Betreuung große Vorteile. Aktuell bieten rund 300 niedergelassene Physiotherapeuten Medizinische EMS bereits als Therapieoption in ihren Praxen an.

„Die Anwendung der Ganzkörper-EMS ist im therapeutischen Bereich in unserer Einrichtung nicht mehr wegzudenken, da das Spektrum an Möglichkeiten extrem vielfältig ist“, resümiert Physiotherapeut Thomas Beisswenger, M. Sc., Kupferzell. 


Auszug aus der Literaturliste

BÄK, KBV & AWMF. (2017). Nationale Versorgungsleitlinie: Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (2. Aufl.). Zugriff am 07.10.2021.
Chibuzor-Hüls, J., Casser, H.-R. & Geber, C. (2020). Wenn Rückenschmerzen chronisch werden. Schmerzmedizin, 36 (4), 40–48.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte presse@fitnessmanagement.de.

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