Mission 'Health for all' – Mit der Fitness- und Gesundheitsbranche Menschen aktivieren

Gesundheitsnutzen der 'Polypille' Fitness: Wie viel Prozent der Bevölkerung erfüllen die Bewegungsempfehlungen und welche Strategien sind zur Umsetzung wichtig?
Lesezeit: 5 Minuten
Fitnesstraining als 'Polypille' für positive Gesundheitseffekte
Fitnesstraining als 'Polypille' für positive Gesundheitseffekte
Ein kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining in der richtigen Dosierung hat vielfältige Gesundheitseffekte. Es kann deshalb auch als universelle „Gesundheitspille“ bezeichnet werden. Die regelmäßige „Verabreichung“ wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Gesundheitsförderung und zum Schutz vor Zivilisationskrankheiten für alle Altersgruppen ausdrücklich empfohlen. Trotz breiter Verfügbarkeit und einfacher Anwendung nutzen 80 Prozent der Bevölkerung das gesundheitsförderliche Potenzial der „Polypille“ Training nicht in ausreichendem Maße. Das muss sich dringend ändern. Dieser Fachartikel ist der letzte der Reihe „Der vielfältige Gesundheitsnutzen von Fitnesstraining“, die in den Ausgaben 152 bis 157 der fMi erschienen ist, und fasst die vorgestellten Ergebnisse nochmals zusammen.

Nichtübertragbare Erkrankungen (engl.: noncommunicable diseases, NCDs) bestimmen das Krankheitsgeschehen in Deutschland. Über 90 Prozent der Todesfälle und der Krankheitslast sind auf NCDs zurückzuführen (IHME, 2021a; WHO, 2018a).

Zu den bedeutendsten Krankheitsgruppen gehören Herz-Kreislauf-, Krebs-, Stoffwechsel-, chronische Atemwegs- und Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) sowie psychische Erkrankungen (IHME, 2021b; Plass et al., 2014). NCDs sind oftmals langwierig bzw. weisen einen chronischen Verlauf auf (CDC, 2013).

Sie verursachen den Großteil der Krankheitskosten im deutschen Gesundheitswesen (Destatis, 2019). Durch einen körperlich aktiven Lebensstil wäre eine Vielzahl dieser Gesundheitsprobleme weitgehend vermeidbar (PAGAC, 2018). Fitnesstraining kann dabei eine wichtige Rolle spielen.

Evidenzbasierte Gesundheitseffekte der 'Polypille' Fitnesstraining (Kraft- und Ausdauertraining) (modifiziert nach ACSM, 2021; PAGAC, 2008, 2018; USDHHS, 2018; WHO, 2020)

Abb. 1: Evidenzbasierte Gesundheitseffekte der 'Polypille' Fitnesstraining (Kraft- und Ausdauertraining) (modifiziert nach ACSM, 2021; PAGAC, 2008, 2018; USDHHS, 2018; WHO, 2020)

'Gesundheitspille Training'

Regelmäßige körperliche Aktivität, zum Beispiel in Form von Fitnesstraining, ist eine der wichtigsten und wirkungsvollsten Maßnahmen, die jeder selbst durchführen kann, um sich vor den häufigsten Zivilisationskrankheiten zu schützen und dauerhaft gesund zu bleiben (ACSM, 2021).

Die vielfältigen gesundheitsförderlichen, präventiven und therapeutischen Effekte von Training sind wissenschaftlich sehr gut belegt. Wie Abbildung 1 zu entnehmen ist, hat körperliches Training ein breites gesundheitliches Wirkungsspektrum und kann daher auch als 'Polypille' bezeichnet werden (Fiuza-Luces, Garatachea, Berger & Lucia, 2013).

Es gibt kein Medikament, das so viele menschliche Organsysteme positiv beeinflusst wie ein regelmäßiges Training in der richtigen Art und Dosierung (Manini, 2015). Zudem gibt es bei korrekter Anwendung keine bedeutsamen Nebenwirkungen und die Kosten sind vergleichsweise niedrig (Fiuza-Luces et al., 2013).

'Exercise is Medicine', so fasst das American College of Sports Medicine die vielfältigen Gesundheitseffekte von körperlichem Training zusammen (Thompson et al., 2020).


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Dosierungsempfehlungen der WHO

Evidenzbasierte Empfehlungen zur optimalen gesundheitsförderlichen Aktivitätsdosis wurden unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation für verschiedene Zielgruppen veröffentlicht. Erwachsenen werden mindestens 150 bis 300 Minuten pro Woche moderat-intensives oder 75 bis 150 Minuten intensives Ausdauertraining empfohlen.

Zusätzlich sollte an mindestens zwei Tagen pro Woche ein Krafttraining durchgeführt werden (WHO, 2020) (vgl. Abb. 2). Diese Empfehlungen gelten im Wesentlichen auch für Ältere (> 65 Jahre) und für Menschen mit chronischen Erkrankungen, wie z. B. Typ-2-Diabetes, Krebs und Rückenschmerzen.

Durch eine regelmäßige und dauerhafte Umsetzung der Bewegungsempfehlungen können die in Abbildung 1 dargestellten umfassenden Gesundheitseffekte erzielt werden.

Evidenzbasierte Bewegungsempfehlungen der WHO (2020)

Abb. 2: Evidenzbasierte Bewegungsempfehlungen der WHO (2020)

Eine Unterdosierung ist weit verbreitet

Leider gelingt die Umsetzung der gesundheitsförderlichen Bewegungsempfehlungen bisher nur einem geringen Prozentsatz der deutschen Bevölkerung (vgl. Abb. 3). Repräsentative Befragungsergebnisse zum Bewegungsverhalten zeigen, dass nur etwa 45 Prozent der Erwachsenen die ausdauer- und 29 Prozent die kraftbezogenen Empfehlungen erfüllen.

Beide Empfehlungen (Ausdauer und Kraft) werden gerade einmal von 23 Prozent umgesetzt (Bennie et al., 2021; Finger et al., 2017). Das heißt, fast 80 Prozent der erwachsenen Bevölkerung in Deutschland erreichen die notwendige Aktivitätsdosis zum dauerhaften Erhalt ihrer Gesundheit gegenwärtig nicht.

Die Ergebnisse machen deutlich, dass ein hohes, bisher nicht ausgeschöpftes Potenzial zur gesundheitsbezogenen Bewegungsförderung besteht.

Erreichung der WHO-Bewegungsempfehlungen bei Erwachsenen (≥ 18 Jahre) in Deutschland (modifiziert nach Bennie et al., 2021; Finger et al., 2017)

Abb. 3: Erreichung der WHO-Bewegungsempfehlungen bei Erwachsenen (≥ 18 Jahre) in Deutschland (modifiziert nach Bennie et al., 2021; Finger et al., 2017)

Mission 'Health for all' – Gesund durch Fitnesstraining

Um das Gesundheitspotenzial von zielgerichteter körperlicher Aktivität sowohl für die Gesamtbevölkerung als auch für jeden Einzelnen bestmöglich zu nutzen, ist es dringend erforderlich, dass deutlich mehr Menschen die Bewegungsempfehlungen erreichen.

Erklärtes Ziel der WHO ist es, den Anteil der körperlich inaktiven Erwachsenen weltweit bis zum Jahr 2030 um 15 Prozent zu reduzieren (WHO, 2018b). Mit Blick auf eine immer älter werdende Gesellschaft und ein gesundes Altern ist laut WHO eine deutlich stärkere Fokussierung auf die Umsetzung der Krafttrainingsempfehlungen erforderlich (Bull et al., 2020).

Übertragen auf Deutschland bedeutet die WHO-Zielsetzung, dass das körperliche Aktivitätsniveau von etwa acht Millionen Erwachsenen im Sinne der Bewegungsempfehlungen gesteigert werden soll. Insbesondere Fitness- und Gesundheitsstudios können einen wichtigen Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung dieser bedeutsamen Gesundheitsmission leisten.

Sie sind aufgrund ihres vielfältigen Leistungsangebotes und der flächendeckenden, deutschlandweiten Verbreitung ideale Orte, um die Bewegungsempfehlungen der WHO unter qualifizierter Anleitung vollständig umzusetzen.

Dazu ist es allerdings erforderlich, der Mission 'Health for all' eine hohe Priorität beizumessen und geeignete Strategien zu entwickeln, um die körperlich inaktiven Bevölkerungsgruppen in ausreichendem Maße zu aktivieren.


Fazit

Regelmäßiges Fitnesstraining besitzt ein enormes Gesundheitspotenzial. Durch die Steigerung des körperlichen Aktivitätsniveaus der Bevölkerung, entsprechend den Bewegungsempfehlungen der WHO, wäre eine Vielzahl der heute vorherrschenden Zivilisationskrankheiten und vorzeitigen Todesfälle weitgehend vermeidbar.

Fitnessstudios sind als professionelle Bewegungsanbieter und Gesundheitsdienstleister dazu aufgefordert, den vielfältigen Gesundheitsnutzen von Fitnesstraining an die breite Öffentlichkeit zu kommunizieren und möglichst viele Menschen bei der praktischen Umsetzung der evidenzbasierten Bewegungsempfehlungen zielgerichtet zu unterstützen.

Diese Mission gelingt am besten mit gut ausgebildeten Fachkräften.


Prof. Dr. Arne Morsch, Fachbereichsleitung Gesundheitswissenschaften und Dozent der DHfPG

Über die Autoren

Prof. Dr. Arne Morsch ist Fachbereichsleitung Gesundheitswissenschaften und Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG). Darüber hinaus leitet er den Fachbereich Gesundheitsförderung der BSA-Akademie.

Prof. Dr. Markus Wanjek, stellvertretende Fachbereichsleitung Gesundheitswissenschaften und Dozent der DHfPG

Prof. Dr. Markus Wanjek ist stellvertretende Fachbereichsleitung Gesundheitswissenschaften und Dozent bzw. Referent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und BSA-Akademie. Er verfügt über eine 20-jährige praktische Berufserfahrung im Fitness- und Gesundheitsbereich.


Auszug aus der Literaturliste

Fiuza-Luces, C., Garatachea, N., Berger, N. A. & Lucia, A. (2013). Exercise is the real polypill. Physiology, 28 (5), 330–358.
Thompson, W. R., Sallis, R., Joy, E., Jaworski, C. A., Stuhr, R. M. & Trilk, J. L. (2020). Exercise Is Medicine. American Journal of Lifestyle Medicine, 14 (5), 511–523.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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