Harald Gärtner im Interview: „Zu einem gut ausgestatteten Studio gehört nicht nur das Equipment“

Kniebeugen und Co. sind zurück in den Trainingsplänen. Harald Gärtner erläutert im Expertentalk, worauf es bei der professionellen Umsetzung ankommt.
Lesezeit: 7 Minuten
Harald Gärtner (DHfPG) im Expterntalk über Powerlifting
Harald Gärtner (DHfPG) im Expterntalk über Powerlifting
Powerlifting ist mehr als nur das Heben schwerer Gewichte. Insbesondere auch hartes Training und eiserne Disziplin sind von Bedeutung. Harald Gärtner zeigt im Expertentalk auf, welche Voraussetzungen das Studio und die Trainerinnen und Trainer mitbringen müssen, um Mitgliedern von diesem Training zu begeistern.

fM: Seit vielen Jahren sind Sie innerhalb der Branche als Experte für Krafttraining und insbesondere Powerlifting bekannt. Wie hat Ihr Weg in die Branche ausgesehen?

Harald Gärtner: Mein erstes Kurzhantelset habe ich mir mit 14 gekauft. Ich weiß noch wie ich am nächsten Tag vom Nachhausetragen abartigen Muskelkater bekommen habe (lacht). Mit den Hanteln habe ich dann aber nur sporadisch trainiert.

Mit 17 habe ich dann angefangen, in dem Kraftraum einer Turnhalle zu trainieren. Da durften eigentlich nur die Leichtathleten rein, aber ein Freund von mir war Leichtathlet, daher durfte ich zweimal die Woche mitkommen.


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Mit 18 bin ich dann zum ersten Mal in ein richtiges Studio gekommen. Der Inhaber von meinem ersten Fitnessstudio war damals Gewichtheber in der Zweiten Bundesliga und wollte auch seine Mitglieder motivieren, ambitioniert zu trainieren – da habe ich dann mitgemacht.

Dabei stellte sich schon nach kurzer Zeit raus, dass ich im Vergleich zu anderen recht stark bin. Gerade im Kraftdreikampf bzw. Powerlifting muss man wissen, dass Training alleine oft nicht alles ist. Die Veranlagung ist auch ein entscheidender Faktor und bei mir war dieser Faktor gegeben. Daher war klar, dass ich auch mal einen Wettbewerb mitmache.

Nach dem Abi habe ich überlegt, was ich denn nun mache, und habe mich für Sportwissenschaft entschieden. Während des Studiums kam die Überlegung auf, wie ich vielleicht ein bisschen Zubrot verdienen kann, und habe so meinen ersten Trainerjob in einem Fitnessstudio angenommen.

Zusätzlich mussten wir während des Studiums zwei Pflichtpraktika absolvieren. Eines habe ich bei der BSA-Akademie gemacht, die damals noch ganz klein in Mandelbachtal war. So bin ich dann auch zum Unterrichten und Schreiben von Artikeln gekommen. Und ab da dabeigeblieben.

Während Ihrer Zeit als Trainer, aber auch als Wettkampfathlet haben Sie in vielen Studios gearbeitet und trainiert. Diese Erfahrungen als Grundlage: Was sind die notwendigen Mittel, um Powerlifting professionell anbieten zu können?

Wenn dem Studiobesitzer sein Boden lieb ist, sollte auf jeden Fall in Bumper Plates, also gummierte Scheiben, investiert werden. Normale Scheiben funktionieren auch, dann braucht es aber eine Heberplattform, damit die Hantel auch mal ein bisschen heftiger abgelegt werden kann, ohne dass der Boden beschädigt wird.

Das Thema wird vor allem dann entscheidend, wenn das Studio nicht im Erdgeschoss liegt, denn wenn einem Mitglied mal 270 Kilo relativ schnell auf den Boden fallen, gibt das eine ordentliche Erschütterung.


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Eine weitere Voraussetzung sind vernünftige Stangen. Dabei kommt es immer darauf an, wie stark meine Mitglieder sind. Das muss ich im Blick haben, um Equipment mit der richtigen Biegebelastung anbieten zu können.

Einfache Kraftdreikampfstangen gehen auch, wobei diese auch nochmal anders sind als Gewichtheberstangen, die mehr schwingen und flexibler sind; Kraftdreikampfstangen sind dagegen viel starrer. Power Racks sind darüber hinaus auch immer eine super Ergänzung, wenn es der Platz hergibt.

Das Image der „Muckibuden“ verfolgt die Branche weiterhin. Welche Rolle spielen Disziplinen wie Powerlifting und wie können sie dabei helfen, das verstaubte Bild abzulegen?

Es ist weniger so, dass Powerlifting ein Überbleibsel aus dieser „Muckibudenzeit“ ist, denn es gehört einfach dazu. Durch Angebote wie CrossFit® und durch Social Media sind Kniebeugen und Co. wieder zurück in den Trainingsplänen.

Dabei helfen auch die Trainer von heute, denn zu einem gut ausgestatteten Studio gehören eben nicht nur das entsprechende Equipment, sondern auch die Leute, die das Ganze vor Ort transportieren: das Personal, das Team, die Trainer, die, die auf der Fläche unterwegs sind.

Sie sprechen die Rolle des Teams für die Studios an. Worauf müssen Betreiberinnen und Betreiber speziell achten?

Es gibt natürlich eine Masse an Lizenzen, die man in dem Bereich absolvieren kann. Die B-Lizenz ist die klassische Grundvoraussetzung bzw. das Minimum. Um dann noch mehr Ahnung von Trainingsteuerung zu haben und mehr Einblicke liefern zu können, kann man sich auf gerätegestütztes Krafttraining oder Freihantel- und Kettlebelltraining spezialisieren.

Über die Jahre habe ich auch immer mehr Synergieeffekte festgestellt, wenn die Trainer im Bereich Reha, Leistungssport oder auch Neuroathletik ausgebildet sind.


Harald Gärtner

Über unseren Interviewpartner

Bereits in jungen Jahren entdeckte Harald Gärtner seine Faszination für Fitness und Krafttraining. Den Startschuss gab das erste Hantelset im Alter von 14 Jahren, danach folgten erste Trainingseinheiten in Krafträumen und letztendlich ein Studium der Sportwissenschaften an der Universität Tübingen. Insbesondere der Kraftdreikampf hatte es dem gebürtigen Stuttgarter angetan, in dem er auch Erfolge als Athlet feiern konnte (u. a. Deutscher Meister der Junioren und Deutscher Meister im Kreuzheben).

Seit über 20 Jahren ist er zudem als Dozent und Referent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie. Darüber hinaus hat er als Autor für verschiedene Fachmagazine der Fitnessbranche (FITNESS TRIBUNE, Sportrevue etc.) diverse Beiträge verfasst.


Natürlich schadet es nicht, wenn ich als Trainer oder Trainerin selbst das Eisen in die Hand nehme. Wer selbst die Langhantel scheut, kann es den Mitgliedern nicht zeigen. Es muss nicht unbedingt eine Wettkampferfahrung sein, aber sie hilft.

Es ist vor allem eine Frage der Trainingserfahrung. Wenn ich einschätzen kann, wie sich unterschiedliche Gewichte anfühlen, kann ich viel besser agieren. Biete ich leistungsorientiertes Training an, muss ich schon wissen, wie sich ein schwerer Dreier bei der Kniebeuge anfühlt, um nachvollziehen zu können, warum mein Mitglied nach der Einheit fix und fertig ist.

Gerade beim Training mit schweren Gewichten hat der Aspekt Sicherheit hohe Relevanz. Wie können Studios den Mitgliedern Angst nehmen und sicheres Training gewährleisten?

Wie schon gesagt, es ist wichtig, den Weg – zumindest teilweise – selbst gegangen zu sein. Ansonsten ist es nicht authentisch. Kann ich das überzeugend zeigen, nimmt das die erste Angst.

Danach kommt es vor allem auch auf die Übung an. Beim Kreuzheben beispielsweise brauche ich keinen Spotter, da das Gewicht nicht über den Kopf geht. Anders ist das beim Bankdrücken, aber auch da hängt es stark von unterschiedlichen Faktoren ab.

Oft besteht die Aufgabe beim Spotten darin, bei der letzten Wiederholung zu unterstützen und nicht selbst einen schweren Satz mit 150 Kilo zu heben. Wenn aber nun jemand mit dem entsprechenden Equipment und hohem Gewicht Bankdrücken trainiert und die Technik nicht passt, kann der Trainierende die Kontrolle über die Stange verlieren.

Dann ist es wichtig, dass entweder ich die Kraft selbst habe oder aber jemanden links und rechts hinstelle. Das gilt es einzuschätzen und umzusetzen. Natürlich hilft hier auch psychologisch das äußere Erscheinungsbild, letztendlich kommt es aber auf das selbstsichere Auftreten der Trainerinnen und Trainer an.

„Muckibuden“-Image, fragwürdige Social-Media-Trends und Co.: Die Liste an Dingen, mit denen Kraftsport immer wieder in ein negatives Licht gerückt wird, ist leider lang. Wie also sprechen Fitnessstudios Interessenten und (Neu-) Mitglieder am besten an und räumen mit den Vorurteilen auf?

In der Zeit, in der ich aktiv Kraftdreikampf betrieben habe, war es die absolute Exotensportart. Selbst auf den Wettkämpfen waren nur die Athleten selbst und deren Betreuer, aber Zuschauer gab es kaum. Heutzutage sieht das anders aus: Der Zugang über soziale Medien erleichtert die Ansprache.

Die meisten Betriebe verfügen inzwischen über eigene Social-Media-Kanäle wie TikTok oder Instagram. Aber was auch immer ich dort poste, ich muss mit meinem Fachwissen bzw. mit meiner Kompetenz dafür sorgen, dass die Inhalte wie Trainingsvideos auch mit den fachlichen Ansprüchen übereinstimmen und nicht auf Zwang Trends nachgehen. Denn auf das, was auf unsere Mitglieder auf anderen Kanälen einstrahlt, haben wir keine Kontrolle.


Weitere Hintergründe

Expertentalk: Powerlifting

Lesen Sie unseren Artikel 'Expertentalk: Powerlifting' als Einstieg zum Interview.

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Gleichzeitig darf ich als Studio auch gegenarbeiten und mein Angebot bezogen auf meine Räumlichkeit und mein Equipment nutzen, um Vorschläge zur Trainingsplanung zu erstellen, die aufzeigen, wie in meinem Studio richtig trainiert werden kann. Die eigenen Beiträge sollten also so aufklärend und bezogen auf die eigene Anlage sein, dass die Mitglieder gar nicht das Bedürfnis haben, anderen Content konsumieren zu müssen. Zudem kann ich versuchen, die Mitglieder Nonsens erkennen zu lassen.

Das Ziel muss also immer sein, Content zu produzieren, den ich meinen eigenen Mitgliedern zur Verfügung stelle, entweder in der Eins-zu-eins-Beratung vor Ort im Studio oder eben über Social Media und andere Kanäle. Solche Kanäle können dann auch in gewissen Abständen stattfindende Workshops sein, in denen mit Fakes aufgeräumt und Fakten präsentiert werden, wo es auch mal mehr um die Technik geht und die Trainer ihr volles Potenzial ausschöpfen können.

Beim Thema Zielgruppen hört man aus der breiten Masse oft, wer alles nicht Kraftsport betreiben soll. Welche Gegenargumente können Betreiber und Trainer hier liefern?

Ein Beispiel, das mir im Kopf geblieben ist, war ein Mitglied, das zur Rehabilitation eines Bandscheibenvorfalls ins Studio gekommen ist. Der Trainer hat Kreuzheben in den Trainingsplan aufgenommen, um die Vergleichbarkeit zum Alltag zu schaffen.

Der Herr hat das kontinuierlich weiter trainiert und wurde irgendwann sogar angesprochen, ob er sich nicht die Teilnahme an einem Wettkampf vorstellen kann. Ich denke das beantwortet die Frage perfekt, denn genau das muss der Weg sein: Raus aus der Reha und zurück zu alter Stärke oder darüber hinaus.

Die Leute, die richtig Angst vor Eisen haben, bekomme ich trotzdem schwer zur Langhantel. Aber ich kann kreativ werden: Statt der Hantel kann ich Senioren beispielsweise auch einen vollgepackten Weidenkorb heben lassen.

Das Training bleibt das Gleiche, nur das Trainingsmittel ändert sich. Bei einigen Zielgruppen ergibt es manchmal Sinn, auf Kabelzug oder auf schwere Tubes und Gummibänder zu wechseln, um das Gewicht „zu verstecken“. Das ist immer noch nah genug am Alltag, sodass die Leute es machen, aber auch weit genug weg, dass nicht gesagt wird: „Und jetzt zahle ich 50 Euro im Monat, damit ich eine Wasserkiste hebe.“

Welchen Tipp können Sie Studios, aber auch Trainerinnen und Traineren an die Hand geben, um mit Powerlifting das bestehende Angebot perfekt abzurunden?

Was den Leuten – Trainern, Betreibern, aber auch Mitgliedern und Interessenten – klar werden muss: Leistungssport ist kein Gesundheitssport. Ob Powerlifting oder Marathon, beim einen sind es die hohen Gewichte, beim anderen die hohen Trainingsumfänge.

Dadurch ist Kraftsport generell nicht plötzlich viel ungesünder als andere Sportarten. Gleichzeitig bedeutet das aber nicht, das wo Leistung anfängt, Gesundheit aufhört.Daher ist Wettkampf gerade für diejenigen spannend, die sich so für Training interessieren.

Man lernt, was es heißt, so ein Training zu steuern und zu periodisieren. Es ist also ein gutes Mittel, um Erfahrungen zu sammeln. Das merkt man dann auch in der Art, wie bzw. welche Lizenzen absolviert oder Trainingspläne geschrieben werden.

dhfpg
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