Clive Salz im Expertentalk: „Athletiktraining ist eine große Chance für den Gesundheitsmarkt“

Clive Salz spricht Expertentalk über Athletiktraining als Königsdisziplin – warum Studios und Trainer sich weiterentwickeln müssen.
Lesezeit: 7 Minuten
Clive Salz im Expertentalk über Athletiktraining
Clive Salz im Expertentalk über Athletiktraining
Alltagsbewegung trifft Profisport: Clive Salz zeigt im Expertentalk, wie Athletiktraining nicht nur Leistungssportler, sondern auch Studiomitglieder auf das Leben vorbereitet.

fM: Im Athletiktraining müssen viele trainingswissenschaftliche Komponenten miteinander vereint werden. Wie können sich Studios und das Trainerteam selbst hierfür am besten vorbereiten?

Clive Salz: Athletiktraining ist die Speerspitze in der Trainingssteuerung und der Ausbildung. Neben den Grundlagen der sportmotorischen Fähigkeiten wie Kraft, Ausdauer, Koordination, Beweglichkeit und Schnelligkeit, die man bei einer A-Lizenz erwirbt, geht es im Athletiktraining darum, all das zeitgleich zu verbinden.

Daher steht Athletiktraining über den Basisqualifikationen und benötigt entscheidende Aufbaustufen, um die Grundvoraussetzungen zu schaffen. Wer im Athletiktraining Fuß fassen möchte, muss verstehen, dass es die Königsdisziplin ist, da alle Fertigkeiten und Fähigkeiten auf das Individuum übertragen werden müssen. Das ist sehr, sehr anspruchsvoll, aber gleichzeitig auch das, was den Reiz ausmacht.

Wenn es um gezielte Leistungssteigerung geht, spielen soziale Fähigkeiten eine besondere Rolle. Warum ist das so?

Im Gesundheits- und Breitensport wie auch im Leistungssport kommt es auf sehr viele Kompetenzen an. Es bedarf der Fähigkeit, Menschen zu vermitteln, dass man sie „besser“ macht.

Das ist vor allen Dingen im Leistungssport eine große Komponente. Allerdings bekommt man dafür nur wenig Zeit, da die meisten leistungsorientiert Trainierenden schon mit einer gewissen Anzahl an Trainern gearbeitet haben und relativ schnell spüren, ob man sie besser machen kann oder nicht.

Und das hängt von vielem ab: der Fach-, Methoden-, aber auch der Sozialkompetenz. Hinzu kommt die Fähigkeit, sich selbst zu vermarkten. Gleichzeitig hat es auch viel mit Vertrauen zu tun.

Bei der Zielgruppendefinition im Athletiktraining denken viele klar an den (Profi-)Sportler. Ist dieses Schubladendenken noch zeitgemäß?

Für mich gibt es zwei Bereiche: Athletiktraining für den Alltag und für den Wettkampf. Im klassischen Studioalltag besteht die größte Chance darin, einen Alltagsbezug zu schaffen.

Dieser Aspekt wird aus meiner Sicht viel zu wenig beachtet, denn aus dem Sachverhalt, dass jemand auf einer Treppe kurzatmiger geworden ist und Rückenbeschwerden hat, leitet man nicht direkt einen athletischen Bezug ab.

Aber um einen Einkauf in die vierte Etage zu transportieren, benötigt man viele Fähigkeiten. Da gibt es also schon einen sehr starken Bezug zum Athletiktraining.

Und um das Beispiel noch etwas zu verschärfen: Wir setzen unsere Mitglieder an Maschinen wie den Reverse Butterfly, mit dem zwar eine Kraftsteigerung erreicht werden kann, dem es aber auch manchmal an der Übertragbarkeit auf den Alltag fehlt.

Warum zeigen wir den Mitgliedern also nicht, wie sie ein 30-Kilo-Paket, das der Postbote auf die Treppe stellt und dabei viel Glück beim Hochtragen wünscht, gesund in das Dachgeschoss tragen können?

Wenn wir mit solchen Beispielen Training in den Alltag transportieren, besteht eine große Chance für den Gesundheitsmarkt. Darüber hinaus gibt es aber natürlich auch das sportartspezifische Athletiktraining. Das ist für viele Trainerinnen und Trainer eine Motivation, da viele sich leistungsorientierten Ansätzen widmen und Profis trainieren möchten.

Alltagstransfer ist das entscheidende Stichwort, um Mitglieder abzuholen. Wie genau gelingt es den Trainerinnen und Trainern, diesen optimal herzustellen?

Wenn das Trainerteam die Wahrnehmung der Trainierenden verändern und einen greifbaren Transfer schaffen kann, führt dies im Umkehrschluss auch zu einer höheren Trainingshäufigkeit. Dafür muss den Mitgliedern aber auch gezeigt werden, wie viel athletische Fähigkeit das Bewältigen des Alltags wirklich benötigt.

Und der beste Weg dahin ist erstmal ein banales Beispiel: Ist die Waschmaschine kaputt, suche ich mir Helfer, die die nötigen Fähigkeiten mitbringen. Meine Unterstützung muss nicht nur Kraft haben, sondern auch rückwärts die Treppe gehen können.

Über den Interviewpartner

Clive Salz

Schon im Alter von 16 Jahren entdeckte Clive Salz seine Passion für Kraftsport. Parallel zu einer Ausbildung zum Kfz-Mechaniker begann er mit der Teilnahme an Wettkämpfen und konnte 1988 bereits einen Deutschen Meister- und Junioreneuropameistertitel erringen.

Mit der Fitnesstrainer-B-Lizenz folgte auch der berufliche Wechsel in die Fitness- und Gesundheitsbranche. Nach diversen Jahren als Wettkampfathlet (u. a. 1996 Weltmeister und IFBB-Profi) und weiteren Titeln schloss er ein Studium zum Diplom-Fitnessökonom an der BSA-Privaten Berufsakademie ab.

Sein Wissen und seine Kenntnisse aus dem Studium und Wettkampf lässt er seit vielen Jahren in seine Tätigkeit als Referent, Dozent und Speaker für die Bereiche Trainings- und Ernährungslehre an der DHfPG und BSA-Akademie einfließen. Darüber hinaus war er als Athletiktrainer und Ernährungsberater für diverse Profisportler – insbesondere aus dem Boxsport – tätig.

Dieses Beispiel kann sich jeder vorstellen oder hat es selbst schon erlebt. Wenn man dann noch daran appelliert, was es für ein Gefühl sein muss, keine Hilfe zu benötigen oder derjenige zu sein, der nach Hilfe gefragt wird, ist die Motivation eine andere. Zeitgleich ist Verletzungsprophylaxe ein weiterer Zugangspunkt.

Das Beispiel verdeutlicht Herausforderungen, von denen die Menschen tagtäglich erwarten, sie stemmen zu können. Als Fitness- und Gesundheitsanbieter vermarkten wir unsere Rolle als Lösungsbringer für genau diese alltäglichen Herausforderungen aber nicht explizit genug.

Um das glaubhaft umsetzen zu können, sollten vielleicht auch unsere Trainingsflächen auf Athletiktraining für den Alltag ausgerichtet sein und die Studioteams viel mehr Alltagsbewegungsabläufe in die Trainingspläne integrieren.

So kann von Anfang an mit kontinuierlicher Steigerung eine andere Trainingsmotivation geschaffen werden. Beispiele dafür: trainieren, wie man Kinder richtig in den Kindersitz oder beim Einkaufen einen Bierkasten in den SUV hebt oder in den Keller trägt.

Als Trainer muss ich lernen, das Equipment anders zu definieren, anders zu denken und anders zu nutzen. Zeitgleich müssen wir den Trainierenden auch über die Trainingseinheit hinaus im Kopf bleiben.

Wenn also ein Kunde mit dem Rad zum Training kommt, weise ich ihn als Trainer nicht nur darauf hin, wie er das Ergometer richtig einzustellen hat, sondern erkläre auch, dass der eigene Drahtesel die richtigen Einstellungen benötigt.

Sportstars zu trainieren, bleibt für viele, die sich im Athletiktraining einen Namen machen wollen, das Ziel. Worauf muss geachtet werden, damit der Traum auch wahr wird?

Im Leistungstraining kommt es auf vieles an. Zuerst sollte ein sportartspezifischer Bezug da sein. Man muss die Sportart nicht selbst gemacht haben, aber ich muss sie verstehen.

Ich selbst habe über 15 Jahre Profiboxer auf höchstem Niveau betreut, komme aber selbst nicht aus dem Boxsport. Jedoch hatte ich ein Grundverständnis für Bewegungsabläufe und die Sportart auch dadurch verstanden, dass ich mit sehr viel guten Techniktrainern und Headcoachs zu tun hatte. Wichtig ist, dass ich mich dabei aber auf meine Kernkompetenzen beschränke.

Weitere Hintergründe zum Thema

 Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Expertentalk Athletiktraining' als Einstieg zum Interview.

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Als Athletiktrainer muss ich meine Grenzen kennen und mich nicht in Technikdetails der Bewegungsabläufe in der Sportart einmischen. Ich gebe keine Taktik oder Strategieanweisung. Wenn die Grenze einmal überschritten ist, bist du raus.

Dann verliert man sehr schnell an Akzeptanz. Es würde ja auch kein Fußballtrainer der Welt Messi zeigen, wie man einen Freistoß schießt, weil es wahrscheinlich keinen Trainer gibt, der den besser schießt als Messi selbst.

Wie gelingt es, sowohl die gesundheitsorientierten Mitglieder als auch ambitionierte Sportler zu erreichen, und können beide Gruppen im Training voneinander profitieren?

Wenn ich beispielsweise einen Rentner und einen 16-jährigen Fußballer nehme, dann haben sie in Hinblick auf Alter, Trainingsmotive und Co. sicherlich verschiedene Ansprüche.

Dennoch kann ich sie mit denselben Übungen starten lassen. Wenn beide einen Ausfallschritt trainieren, kann ich aus den Fähigkeiten ein zugeschnittenes Konzept entwickeln. Die Defizite, die beide aufweisen, ähneln sich unter Umständen sogar. Mit der Zeit wird der 16-jährige vielleicht belastbarer werden als der ältere Mensch, aber die methodische Reihe eines Ausfallschritts bringt uns langfristig zum Athletiktraining.

Der entscheidende Fakt, den Studios, Trainerinnen und Trainer verstehen müssen ist, dass die Zielgruppe erst nach der Anamnese entsteht. Man geht immer davon aus, man würde bestimmte Personengruppen von vornherein ansprechen, aber nach einer Anamnese oder nach einem Screen, wie es im Athletiktraining genannt wird, entwickelt sich ja erst die Idee für das Training. Wir erfahren dann erst, was die Personen speziell benötigen.

Müssen sich aus dieser Sichtweise neue Ansätze für Mitgliedschaftsmodelle und Zusatzverkäufe ergeben?

Das Thema benötigt aus betriebswirtschaftlicher Sicht sicherlich neue Denkweisen, denn je mehr Fähigkeiten jemand besitzt, desto günstiger wird er für uns.

Bei gleichen Mitgliedschaftspreisen haben wir als Studio bspw. durch eine geringere Anzahl von benötigten Betreuungsstunden geringere Kosten. Anders verhält es sich bei der anderen Gruppe: Je mehr Defizite ein Mitglied hat und je weniger der Körper gesund gehalten wird, desto aufwendiger wird es.

Mehr Trainerstunden für dieses eine Mitglied, die nicht anderweitig genutzt werden und auch keinen Mehrumsatz generieren können, sind das Resultat. Das leuchtet uns in vielen anderen Branchen ein, nur in der Fitness- und Gesundheitsbranche haben wir bisher immer ein standardisiertes Modell, das von einer bestimmten Zielgruppe gekauft werden soll.

Aber aus den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden ergibt sich mit der Expertise des Unternehmens oder der Trainer erst eine zu definierende Zielsetzung. Diese muss modifiziert werden, um zu wissen, wie viel Aufwand betrieben werden muss und welcher Ertrag damit zu erreichen ist.

Es lohnt also der Gedanke darüber, Betreuungspakete anzubieten, die dem Engagement, der verfügbaren Zeit oder dem Aufwand angepasst sind und auch entsprechend abgerechnet werden. So könnte jedes Mitglied selbst entscheiden, ob es den Status quo nur halten möchte – also ein Minimum an Gesundheitsvorsorge betreiben – oder ob ein Maximum an athletischer Leistungsfähigkeit erreicht werden soll.

Beim Einführen neuer Angebote folgt immer die Frage nach Investitionen und wie Gewinne generiert werden können. Welche Antworten liefert Athletiktraining auf diese Fragen?

Beim Equipment kann vom Theraband bis zur tonnenschweren Beinpresse alles Bestehende genutzt werden. Langfristig können freie Flächen für Sprints oder Ähnliches geschaffen werden.

In meinen vielen Jahren als Trainer im Profisport habe ich kein gesondertes Material anschaffen müssen; wer sich aber spezialisieren will, kann das natürlich tun. Athletiktraining bedeutet immer, in die Ausbildung der Trainer zu investieren, da sie mit ihrem Wissen, ihren Fähigkeiten und ihrem Einsatz die Basis bilden.

Zusätzlich muss geschaut werden, wie hoch der Personalschlüssel ist und wie hoch der Aufwand sein soll, damit es sich betriebswirtschaftlich rechnet. Wenn der Trainer eine Dreiviertelstunde Inhalt liefern kann, dann sollte er für diese Dreiviertelstunde ein Konzept entwickeln, das gleichzeitig Diskussionsgrundlage ist, um herauszufinden, wie aus einer standardisierten Basisleistung, die in eine Mitgliedschaft integriert ist, eine Zusatzleistung wird.

Solche Planungen scheitern selten an den Kompetenzen, sondern daran, dass die Anzahl an Betreuungsstunden und Ähnliches vorgegeben ist. Dadurch wird der Handlungsspielraum schon sehr klein und man konzentriert sich immer auf eine sehr einseitig strukturierte Zielgruppe oder Zielsetzung.

Worauf müssen (angehende) Athletiktrainerinnen und -trainer noch achten, um bei ihrer Arbeit erfolgreich zu sein und es auch zu bleiben?

Ich spreche immer von einem roten Faden, der da sein muss und gleichzeitig der Schlüssel dafür ist, mit einem Kunden Geld zu verdienen. Selbst wenn ich einen Kunden verliere, ist wichtig, dass ich weiß, was ich machen muss, damit er wiederkommt.

Wenn du gut bist, kommen die Klienten immer wieder. Die Athleten kommen zu dir, weil du ihr Trainer bist und sie dich um Rat fragen können. Gerade im Leistungssport ist die Trainer-Trainierenden-Beziehung sehr sensibel, da der Anspruch und die Erwartungen andere sind.

Die Athleten machen es an anderen Dingen fest, ob du der richtige Trainer bist, deshalb ist der Druck viel höher. Daher rate ich vielen jungen Trainern, zuerst viele Menschen mit anderen Zielsetzungen zu trainieren, bevor man sich in den Leistungssport vorwagt, denn das ist eine besondere Herausforderung.

Darüber hinaus ist aber auch wichtig, dass wir mit unseren Trainierenden Ziele auch erreichen und nicht nur verfolgen. Im Leistungssport kommen neue Kunden in Scharen, wenn deine aktuellen Athleten relativ schnell ihre Leistungen optimiert haben. Das sollte auch auf die Mitglieder übertragen werden: Wenn Ziele realistisch gesteckt und erreicht werden, entsteht ein ganz anderer Flow.

dhfpg-bsa

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Für fitness MANAGEMENT berichtet

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