Digital, Fitness | Autor/in: fM Redaktion |

LES MILLS Executive Director Phillip Mills im Interview: „Wir müssen den Trends folgen“

Seiner Zeit voraus: Seit den 1980er-Jahren entwickelt Phillip Mills, LES MILLS Executive Director, Gruppenfitnessprogramme für Fitnessstudios. Bis heute begeistert der neuseeländische Gruppenfitnessexperte LES MILLS unterschiedlichste Altersgruppen mit innovativen Angeboten.

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fM: Auf der FIBO 2022 sagten Sie, dass unsere Branche sich trauen muss, neue Dinge zu tun, um die Menschen wieder für Fitness zu begeistern. Hat die Branche diesen Rat befolgt?

Phillip Mills: Ich habe den Eindruck, dass dies derzeit geschieht. Die Botschaft kommt allmählich an und wir als LES MILLS werden in diesem Jahr noch viele Innovationen auf den Markt bringen, um die Studios dabei zu unterstützen.

Im letzten Jahr haben alle versucht, im Geschäft zu bleiben und die Mitglieder zum Wiederkommen zu bewegen. Entsprechend war man mit Neuerungen etwas vorsichtiger. Von unseren Landesvertretungen weltweit bekommen wir das Feedback, dass die Studios wieder deutlich empfänglicher für Investitionen in neue Bereiche werden.

Unserer Einschätzung nach wird dieses Jahr der große Ansturm – im positiven Sinn – kommen.

LES MILLS greift die neuesten Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung auf und hat so ein spezielles Angebot für die GenZ geschaffen. Welche Erwartungen hat diese Zielgruppe und welche Potenziale hat sie für die Zukunft?

Wir haben etwa ein Dutzend neue Programme, die wir in den nächsten Jahren auf den Weg bringen werden. Die meisten Menschen, die einem Fitnessstudio beitreten, sind zwischen 18 und 35 Jahre alt. Wenn man sich das Durchschnittsalter der Studiomitglieder ansieht, liegt dieses jedoch bei Ende 30 (Anm. d. Red.: In Deutschland liegt das Durchschnittsalter bei 40,6 Jahren).

Das liegt daran, dass viele Menschen gehobeneren Alters bereits Mitglied sind und den Schnitt hochziehen.

Laut unserer Studie, die wir in über 5.000 Fitnessstudios auf der ganzen Welt durchgeführt haben, sind die meisten Menschen 24 Jahre alt, wenn sie Mitglied werden. Also sollten wir auch diese Altersgruppe ansprechen. Das war auch bei jeder Generation davor der Fall und gilt nicht nur für die GenZ. (Lesen Sie weiter: 'So tickt die Gen Z')

Es handelt sich um junge Menschen, die noch keine größeren Verpflichtungen wie Arbeit oder Familie haben. Sie interessieren sich sehr bewusst dafür, andere Menschen zu treffen, in Form zu kommen und eine Gemeinschaft zu erleben. Was sich jedoch geändert hat, sind die Trends im Bereich Group Fitness.

Ich habe mittlerweile vier Generationen erlebt: meine Generation – die Babyboomer –, die Generation X, die Millennials und jetzt die GenZ. Mit jeder dieser Generationen hat sich auch die Art der Kurse verändert. In den 80er-Jahren gab es Aerobic und einige Tanzkurse.


Über den Interviewpartner

Phillip Mills

Der Neuseeländer ist Executive Director von LES MILLS International. Geboren wurde er 1955. Der Weltklasseleichtathlet wurde 1980 neuseeländischer Meister über 110 Meter Hürden. In den 1980er-Jahren gründete er mit seinem Vater Les Mills ein Familienunternehmen, wo beide Gruppenfitnessprogramme für Fitnessstudios entwickelten. 1997 gründete er das Unternehmen LES MILLS International.

Der Unternehmer setzt sich unermüdlich für die Gesundheit unseres Planeten und der Menschen ein und gehört zu den Gründungsverwaltern von Pure Advantage, einer gemeinnützigen Organisation für eine grünere und reichere Zukunft in Neuseeland.


In den 90er-Jahren verlagerte sich der Schwerpunkt auf Step-, Spinning-, Fatburner- und Kampfsportkurse. Mit den Millennials änderte sich das wieder: Der Trend ging hin zum Krafttraining wie Functional Training oder CrossFit, was sehr beliebt war und es noch immer ist.

Parallel dazu gab es eine Menge HIIT-Kurse mit hoher Intensität. Heute sind Kurse zum Kraftaufbau, aber auch mentale Kursangebote wie Yoga sehr angesagt.

Ist es eine große Herausforderung, all diese neuen Programme für die jeweiligen Trends zu entwickeln oder geben die neuen Programme die Trends sogar vor oder beeinflussen sie?

Wir versuchen, den Menschen das zu geben, was sie brauchen. Und ja, das ist eine Herausforderung. Bei LES MILLS sehen wir es als unsere Aufgabe, Trends zu setzen, um die Studios zu unterstützen. Das macht uns seit über 40 Jahren im Group-Fitness-Bereich aus. Der Kern unserer Innovationen besteht darin, den Menschen zuzuhören und herauszufinden, was sie wollen.

Ein Beispiel ist BODYPUMP in den 90er-Jahren. Das hat einen neuen Trend ausgelöst, indem wir Frauen das Krafttraining näherbrachten. Plötzlich gab es weibliche Mitglieder, die mit der Langhantel trainierten und tausend Wiederholungen in einem Kurs absolvierten.

Ein anderes Beispiel ist der Yogabereich. In den Neunzigern waren wir unserer Zeit bereits voraus und hatten sogenannte Yoga-Fusion-Kurse im Angebot. Allerdings kam es damals nicht gut an, Yoga mit Musik oder anderen Kursen wie beispielsweise Pilates zu mischen. Heute macht das jeder.


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Yoga-Fusion hat in den letzten 20 Jahren einen enormen Aufschwung erlebt. Bei den Millennials und der GenZ setzt sich dieser Trend fort.

Die Pandemie hat den Trend hin zu mentalen Kursen nochmals verstärkt, da viele Menschen unter psychischen Problemen litten bzw. bis heute darunter leiden. Neben der Pandemie sind dafür aber auch die sozialen Medien verantwortlich, die bei vielen Menschen Stress erzeugen.

Wir wissen, dass psychische Erkrankungen heute das größte Gesundheitsproblem der Welt sind. Bei über einer Milliarde Menschen wurden psychische Erkrankungen diagnostiziert, vor allem Ängste und Stress sind Auslöser, mit denen Menschen umgehen können wollen.

Insbesondere die GenZ hat ein hohes Bedürfnis, stark und widerstandsfähig zu sein – körperlich sowie mental. Gerade bei weiblichen Mitgliedern ist dieser Trend noch ausgeprägter: Frauen wollen stark, selbstbestimmt und unabhängig sein. Auch aktuelle Studien zeigen, dass sich diese Entwicklung fortsetzt.

Man sieht viele junge Frauen, die im Fitnessstudio schwere Gewichte stemmen, um Stress abzubauen. Sie wollen ihren Geist und Körper trainieren – auf der einen Seite durch Krafttraining, auf der anderen Seite durch Meditation, Yoga, Pilates und Atemübungen.

Männliche Mitglieder werden für mentale Angebote aber auch affiner. Man darf nicht vergessen, dass Yoga und Pilates eine Menge Kraft und Körperbeherrschung verlangen. Yoga ist also auch für Männer ein fantastisches Angebot. Vorurteile, dass es ein Frauenkurs ist, werden weniger und viele der heute erfolgreichen Yogainstruktoren sind Männer.


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Ein weiteres Beispiel sind Kurse wie das immersive Programm THE TRIP, bei dem man mit dem Fahrradergometer vor einem großen Bildschirm durch virtuelle Städte oder auf anderen Planeten fährt. Die ersten Clubs haben diesen Kurs bereits im Angebot und viele weitere werden folgen.

Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass es für Studios ein Muss ist, solche Trends zu verfolgen und die Bedürfnisse der Mitglieder und der Generationen zu verstehen. Nur so ist man auch über Generationen hinweg erfolgreich.

Wie können Studios es schaffen, die Kluftzwischen den Zielgruppen zu überbrücken und so alle Fitnessfans gleichermaßen anzusprechen und zu begeistern?

Wir müssen den Trends folgen. Wir müssen modernes Krafttraining, moderne Born- Body- und Dance- sowie Cardiokurse entwickeln, die aktuelle Trends bedienen. Jede Generation mag andere Musik. Menschen mögen Neues und selbst meine Generation probiert gern Neues aus. Einige der alten Kurse machen auch mir keinen Spaß mehr.


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Denn auch die alten Kurse müssen wir weiterentwickeln, indem wir einen etwas aktuelleren Musikstil, einen etwas neueren Trainingsstil und eine modernere Art des Coachings und des Unterrichts einsetzen. In den 80er-Jahren und 90er-Jahren war alles sehr kitschig. Heute ist das Coaching viel authentischer und viel fachkundiger. All diese Dinge verändern sich und es ist viel überzeugender, wenn echte Menschen miteinander sprechen.

Neben den neuen Angeboten ist LES MILLS mit der Partnerschaft mit adidas ein zukunftsweisender Coup gelungen. Wie kam dieser Deal zustande?

Wir hatten bereits einige Jahre lang eine Partnerschaft mit Reebok, als es noch zu adidas gehörte. Nach dem Verkauf von Reebok wollte adidas aber trotzdem weiter mit LES MILLS zusammenarbeiten. (Lesen Sie mehr: 'LES MILLS x adidas')

Sie haben eine neue Trainingsabteilung gegründet, da Fitness inzwischen die größte Sportart der Welt ist.

Für adidas ist das ein großer Markt, den es zu erobern gilt. Die Partnerschaft zwischen LES MILLS und adidas ist eine logische Konsequenz für die Verfolgung der Ziele beider Marken.


Weitere Interviews und Hintergründe

In weiteren Interviews sprechen Nerio Alessandri und „Mimi“ Kraus über Innovationen in der Fitnessbranche. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Trends und Innovationen' als Einstieg zu den Interviews.

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Für uns ist das ein sehr starkes Signal. Wenn ein Unternehmen wie adidas sich in einer Branche wie der unseren engagiert, fördert das die gesamte Fitnessbranche. Wir werden von dieser Partnerschaft profitieren, denn es zeigt auch anderen großen Unternehmen, dass Fitness ein sehr wertvoller Markt ist.

Welche Veränderungen und Potenziale ergeben sich daraus für die LES MILLS-Gemeinschaft und die Branche insgesamt?

Es wird immer bessere Fitnesskleidung geben und das macht die Branche cooler. Wenn es coolere Kleidung für den Sport gibt, dann wollen auch mehr Leute diesen Sport ausüben. Wir werden in Zukunft noch viel mehr Werbung für Fitness als Sportart sehen und damit mehr Menschen begeistern. Es wird der Branche noch mehr Energie geben und uns helfen, weiter zu wachsen.

Auch 2022 haben wir bereits einen Blick auf das kommende Jahr geworfen. Was können wir heute von der Zukunft erwarten?

Ich denke, dass im Moment viele Faktoren die Branche beeinflussen. Abgesehen von den soziologischen Aspekten, die das Wachstum der Branche vorangetrieben haben, sind Discountanlagen und Boutique-Clubs weitere Einflussgrößen.

Wir können all diese Faktoren aber nicht isoliert betrachten, es ist komplizierter. Boutique-Clubs bieten nur eine Form des Trainings an und sind darin sehr gut. Bis zu einem gewissen Grad können sie auch Teil eines größeren Fitnessstudios sein, z. B. über Aggregatoren.

Die Leute können einen Boutique-Club sowie zwei oder drei weitere besuchen. Es ist also so, als ob diese drei Boutique-Clubs zu einem Fitnessstudio gehörten. Wir haben auch gesehen, dass Discounter mehr und mehr Kurse anbieten. Fast alle Discounter in der Welt haben jetzt Kurse und einige von ihnen beginnen, Boutiquen zu integrieren.


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Es wird sehr interessant sein, zu beobachten, wie das mittlere und gehobene Marktsegment Boutiquen in die Clubs einbaut. 1980 eröffnete ich mein erstes Aerobicstudio. In den 80er-Jahren hatte ich dann mehrere Aerobicstudios in Neuseeland und Australien.

Wir waren sehr erfolgreich und die Leute standen teilweise Schlange, um reinzukommen. Aber als die großen Clubs, wie der meiner Eltern, eigene Aerobicbereiche einrichteten, brach unser Geschäft ein. Vielleicht tragen die Aggregatoren dazu bei, dass es diesmal anders wird. Aber ich glaube, dass immer mehr traditionelle Clubs und Discounter Boutique-Angebote aufnehmen werden.

Es gibt ein enormes Wachstum, weil Boutique-Anbieter einige wunderbare Kurse entwickelt sowie großartige Instruktor:innen rekrutiert und ausgebildet haben. Das ist sehr wichtig, denn wie schon immer gilt: Eine einzige großartige Person kann Hunderte von Menschen in einen Club locken und dort binden.


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Wenn Sie ein Team solcher Instruktor:innen haben, sind das Tausende von Menschen.

Die Boutique-Anbieter haben einen Angebotsschwerpunkt und zahlen ihren Instruktor:innen mehr Geld. Die traditionellen Clubs haben ihren Group-Fitness-Trainer:innen lange Zeit eher niedrige Löhne gezahlt, den Personal Trainer:innen dagegen viel mehr. Aber jetzt gibt es Wettbewerb.

Wir werden sehen, dass Group-Fitness-Trainer:innen besser bezahlt werden und dass immer mehr in ihre Ausbildung investieren. Unsere Branche wird weiter wachsen, denn das Erlebnis, ein Fitnessstudio zu besuchen, wird immer besser und besser werden.

In unserer Branche geht es zur Hälfte darum, fachkundige Trainingsanleitungen zu geben. Zur anderen Hälfte geht es darum, die Menschen zum Training zu motivieren und sie dort zu halten. Das gelingt mit spannenden und motivierenden Trainingserlebnissen.

Ich denke, dass in diesem Jahrzehnt die Qualität der Erlebnisse und die Motivation, die in Fitnessstudios geboten werden, stark zunehmen werden.

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