fM: Die 'Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft' werden vom DSSV seit über 35 Jahren erhoben. Seit vier Jahren werden die Eckdaten der Fitnesswirtschaft in der Schweiz und seit zwei Jahren auch in Österreich nach einer einheitlichen Methodik erhoben. Inwieweit sind diese einheitlichen Datenerhebungen auch für den europäischen Fitnessmarkt relevant?
Herman Rutgers: Die Art und Weise, wie die deutsche Fitnessbranche jährlich untersucht wird, wird von vielen anderen Ländern beneidet. Vielen Dank an den DSSV, die DHfPG und Deloitte dafür, dass sie für den Rest der Welt ein Beispiel gesetzt haben!
Es ist großartig, dass die gleiche Methodik auch in der Schweiz und in Österreich angewandt wird. Der Vergleich von Schlüsseldaten der Branche zwischen den Ländern ist wichtig, um daraus zu lernen und Schlussfolgerungen für die weitere Professionalisierung zu ziehen, damit der Sektor wachsen kann.
Qualitativ hochwertige Marktdaten sind ein entscheidender Input für unseren European Health & Fitness Market Report, den EuropeActive jedes Jahr in Zusammenarbeit mit Deloitte erstellt.
2025 präsentieren wir die zwölfte Ausgabe, die am 9. April, einen Tag vor Eröffnung der FIBO, auf dem European Health & Fitness Forum, dem EHFF, offiziell vorgestellt wird.
Hat die DSSV-Studie 'Eckdaten der deutschen Fitnesswirtschaft' eine Signalwirkung für andere Länder?
Auf jeden Fall! Deutschland ist der größte Fitnessmarkt in Europa und ich kann Ihnen verraten, dass wir in diesem Jahr an einem weiteren großen Markt nach dem gleichen Schema arbeiten und hoffentlich weitere Märkte im nächsten Jahr folgen werden. Je mehr Länder der gleichen Methodik und den gleichen Schlüsselkennzeichen folgen, desto besser wird unser Gesamtverständnis der Größe, des Umfangs und der Trends auf dem europäischen Markt sein.
Warum ist die Markttransparenz innerhalb der Fitness- und Gesundheitsbranche so wichtig?
Ein altes Sprichwort sagt sinngemäß: „Was man messen kann, kann man auch managen“. Deshalb hat EuropeActive vor drei Jahren mit einer zusätzlichen Trendstudie begonnen, die auf einer Befragung von 19.000 europäischen Verbrauchern in 19 Ländern basiert, darunter auch Deutschland.
Auch im Januar 2025 wurde diese Untersuchung durchgeführt und wir werden die Ergebnisse im European Health & Fitness Market Report 2025, kurz EHFMR, veröffentlichen. Dadurch werden einige interessante Vergleiche zwischen den Ländern möglich und wir können die Trends der letzten vier Jahre sehen.
Lassen sich Entwicklungen und Erkenntnisse vom deutschen Fitnessmarkt auf andere Länder – wie vor allem UK, Frankreich oder die Niederlande – übertragen und umgekehrt?
Europa ist KEIN einheitlicher Markt. Es gibt signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern, und selbst innerhalb der Länder gibt es Unterschiede zwischen einzelnen Regionen, insbesondere zwischen Großstädten und ländlichen Gebieten.
Über den Interviewpartner
Herman Rutgers
Herman Rutgers verfügt über langjährige Erfahrung in der Leitung internationaler Unternehmen und ist seit 30 Jahren in der globalen Fitnessbranche tätig, darunter Brunswick/Life Fitness, Octane Fitness und auf der Betreiberseite bei SATS in Skandinavien. Im Jahr 2002 gründete er sein Unternehmen Global Growth Partners, über das er an mehreren Unternehmen als Vorstandsmitglied, Berater oder Investor beteiligt ist.
2007 war Herman Rutgers Mitbegründer von EuropeActive in Brüssel, fungierte als erster Exekutivdirektor, war von 2012 bis 2019 Mitglied des Vorstands und ist derzeit Botschafter. 2013 rief er das jährliche European Health & Fitness Forum (EHFF) auf der FIBO ins Leben. Seit 2015 ist er internationaler Botschafter für Reed Exhibitions/FIBO und seit Juni 2016 Vorstandsmitglied bei Basic-Fit. Er ist Mitverfasser des jährlichen European Health & Fitness Market Report von EuropeActive und Deloitte sowie mehrerer Bücher über die Fitnessbranche. Herman Rutgers ist ein gefragter Redner und Moderator bei Veranstaltungen der Fitnessbranche.
herman@hrutgers.eu
Die Durchdringungsraten und die Ausgereiftheit der Länder sind sehr unterschiedlich. Die Durchdringungsrate von Fitness im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung ist in Schweden mit 22 Prozent am höchsten – gleichauf mit den USA.
Die Länder am unteren Rand liegen bei etwa vier Prozent! Deutschland liegt mit 13,4 Prozent in der Mitte des Spektrums. Die gute Nachricht ist also, dass Deutschland sehr gute Wachstumsaussichten hat.
Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede sehen Sie bei den europäischen Fitnessmärkten?
Es gibt einige Unterschiede, hauptsächlich sehen wir aber Gemeinsamkeiten. Ein gutes Beispiel ist das Franchising: Mit Ausnahme von Basic-Fit werden alle großen Akteure z. B. in Frankreich nach dem Franchisemodell betrieben.
Ein weiteres Beispiel sind die öffentlich-privaten Betreibermodelle, die im Vereinigten Königreich und in Spanien eine große Rolle spielen, während sie in allen anderen Ländern nicht so bedeutend sind. Auch die Popularität von z. B. Bodybuilding oder Gruppentraining ist von Land zu Land unterschiedlich.
Welche Zahlen aus den aktuellen Eckdaten stimmen Sie optimistisch? Welche Entwicklungen haben Sie überrascht?
Zu dem Zeitpunkt, an dem Sie mir diese Fragen stellen, haben wir die Untersuchungen für das Jahr 2024 für den EHFMR noch nicht abgeschlossen und die Eckdaten 2025 liegen auch noch nicht vor, aber ich sage voraus, dass wir die folgenden Trends sehen werden:
- anhaltendes Wachstum bei der Anzahl der Mitglieder und den Einnahmen
- eröhte Marktdurchdringung: Für die Gesamtbevölkerung in Europa lag die Marktdurchdringung im Jahr 2023 bei 8,4 Prozent und bei 10,1 Prozent bei den Menschen über 15 Jahren
- Fusionen werden zunehmen, d. h. der Markt konsolidiert sich weiter; im Jahr 2024 habe ich 29 Transaktionen gezählt, 13 im Jahr 2023 und ich bin sicher, dass der bisherige Rekord von 2018 mit 24 Transaktionen gebrochen wird
- das zunehmende Interesse und die Investitionen von Private-Equity-Firmen in unserem Sektor ermöglicht diese Entwicklung
- internationale, grenzüberschreitende Expansion durch Betreiber, wie 2024 z. B. FitActive von Italien nach Spanien, GO fit von Spanien nach Italien, Fitness Park von Frankreich nach Spanien und Marokko, PureGym vom Vereinigten Königreich und clever fit von Deutschland in die USA, Anytime von Japan nach Deutschland, Planet Fitness von den USA nach Spanien
- auf der Seite des Verbraucherverhaltens wird es mehr Krafttraining geben, mehr jüngere neue Mitglieder und einen ganzheitlicheren Ansatz für Gesundheit und Fitness, d. h. mehr Aufmerksamkeit für geistige Gesundheit und Ernährung
- der Einsatz von Technologie, Apps und Studioequipment sowie Künstlicher Intelligenz wird sich weiter verstärken – sowohl bei den Aktivitäten für die Verbraucher als auch bei den Abläufen in den Clubs
Wie können Branchenverbände die Eckdaten als Argumentations- und Präsentationsgrundlage für sich nutzen, z. B. gegenüber der Politik und dem Gesundheitswesen?
Die Eckdaten und der Market Report tragen dazu bei, Politikern und anderen Interessengruppen, wie Investoren, Versicherungsgesellschaften, Medien und der medizinischen Welt, die Bedeutung unserer Branche zu verdeutlichen – und zwar nicht nur in Bezug auf die Unterstützung der Menschen bei der Verbesserung ihrer Gesundheit durch Bewegung, sondern auch in Bezug auf den sozialen und wirtschaftlichen Beitrag der Fitness- und Gesundheitsbranche.
Weitere Interviews und Hintergründe
In weiteren Interviews sprechen Marcus Schwedhelm und Christian Hörl über die Bedeutung der Eckdaten in der Schweiz und Österreich.
Lese außerdem unseren Artikel 'Fit. Stark. Gesund.' als Einstieg zum Interview.
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Wird die Erhebung der Eckdaten ihrer Einschätzung nach weiter an Bedeutung gewinnen? Ja, natürlich. Eine der Initiativen von EuropeActive ist der 'European DataHub', ein Projekt, bei dem vierteljährlich wichtige Marktdaten von Betreibern und nationalen Verbänden gesammelt werden, damit wir den Finger am Puls der Marktentwicklungen behalten können.
Es ist großartig, Marktzahlen auf jährlicher Basis zu haben, aber wir würden gern die Entwicklungen der wichtigsten Leistungsindikatoren auf vierteljährlicher Basis sehen: Anzahl der Clubs, Mitglieder, Austritte und Eintritte sowie Einnahmen.
Welche Maßnahmen und Entwicklungen sind notwendig, um eine noch bessere Akzeptanz der Eckdaten für den nationalen und europäischen Fitnessmarkt bei Politik und Leistungserbringern des Gesundheitssektors zu erreichen?
Wir brauchen mehr Geld von allen Beteiligten, um die Qualität und Häufigkeit – mehr als einmal pro Jahr – der wichtigsten Marktdaten zu verbessern.
Wir brauchen zusätzlich mehr Verbraucherforschung, um über die Trends immer auf dem Laufenden zu sein, wie oben beschrieben.
Eine einfache Rechnung: Wenn alle Clubs in Europa zehn Cent pro Mitglied und Club pro Jahr spenden würden, hätten wir ein Budget von rund 6,8 Millionen Euro, um noch viel mehr zuverlässige Forschung durchführen zu können.
Was die Menschen betrifft, so müssen wir für eine gute Ausbildung und Schulung unserer Mitarbeitenden sorgen. Gute Fachleute für den Umgang mit den Menschen sind entscheidend.
Deutschland leistet in dieser Hinsicht hervorragende Arbeit mit qualitativ hochwertigen Einrichtungen und einem großartigen, einzigartigen Ausbildungssystem, mit dualen Studiengängen, bei denen parallel im Job Erfahrungen gesammelt werden können.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Fitness- und Gesundheitsbranche in Europa?
Dass wir das EuropeActive-Ziel von 100 Millionen Mitgliedern in den Fitnessclubs Europas bis 2030 erreichen! Ich glaube fest daran, dass wir dieses Ziel schaffen werden, und wahrscheinlich noch mehr.