Ernährung, Gesundheit | Autor/in: Antje Ruhwedel |

Für eine gesund alternde Gesellschaft

Die Menschen werden immer älter. Der demografische Wandel stellt insbesondere die Gesundheitsbranche vor enorme Herausforderungen, bietet aber auch die Chance, Menschen beim gesunden Altern unterstützen zu können. Um die demografische Transformation erfolgreich zu meistern, braucht es angepasste Strategien und fundierte Maßnahmen zur Betreuung des Alter(n)s.

Demografischer Wandel als Chance

Die Lebenserwartung in Deutschland steigt – gleichzeitig sinkt jedoch die Geburtenrate. Dies hat eine Änderung der Altersstruktur der Bevölkerung zur Folge, was als demografischer Wandel bezeichnet wird (AOK Bundesverband, 2022).


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In diesem Kontext wird die Frage, welche Stellung ältere Menschen in der Gesellschaft einnehmen, immer relevanter. Zentral wird eine neue, positive Deutung von Alter und Altern. Dabei muss das Altern als individueller Veränderungsprozess über die Lebensspanne verstanden werden, während das Alter einen bestimmten Abschnitt im fortgeschrittenen Lebenslauf beschreibt (Tesch-Römer & Wurm, 2009, S. 7).

Betrachtet man diesen Abschnitt im Lebenslauf, muss zunächst der Beginn dieser Phase definiert werden. Die Soziologie beschreibt z. B. den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand als Alter, in der Gerontologie wird oft die chronologische Altersgrenze von 60 oder 65 Jahren genutzt.


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Bei steigender Lebenserwartung wird der Lebensabschnitt Alter immer länger, weshalb in ein drittes und viertes Lebensalter oder auch in die „jungen Alten“ (60 bis unter 80 Jahre) und die „alten Alten“ (80 Jahre und älter) unterteilt wird (Tesch-Römer & Wurm 2009, S. 8).

Die biologische Definition besagt, dass ein Mensch alt ist, wenn die Hälfte seiner Geburtskohorte bereits verstorben ist. In diesem Sinn sind heute weder die 60- noch die 70-Jährigen alt, denn bei aktueller Lebenserwartungssituation kann, der Definition folgend, ein Mensch erst als alt bezeichnet werden, wenn er über 80 ist (Mertens, 2017).

Gesundheit im Alter

Lebensläufe sind dynamischer, brüchiger und episodenhafter geworden, das klassische Drei-Phasen-Modell des Lebenslaufs „Ausbildung – Aktivität – Ruhestand“ hat ausgedient. In Zukunft sollte daher stärker berücksichtigt werden, dass menschliche Aktivität nicht mit dem Übergang in den Ruhestand endet (Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung [BiB], 2021).

Die vermeintlich homogene Generation der Alten differenziert sich aus, sprengt das Generationenverständnis und prägt die Denkweisen und Lebenswelten neu. In der Gerontologie wird dahingehend seit Langem von dem Phänomen des „Downagings“ gesprochen (Muntschick, 2016).

Ältere Menschen sind heutzutage in der Regel biologisch jünger als in früheren Zeiten. Schon jetzt zeigt sich bei Personen im dritten Alter, dass zentrale Tätigkeiten aus früheren Lebensabschnitten in zunehmendem Maße ohne größere Einschränkungen fortgeführt werden können (BiB, 2021).

Ein heute 60-Jähriger hat mühelos das biologische und auch gefühlte Alter eines 40-Jährigen vor 100 Jahren. Dadurch entstehen Lebenswelten, in denen das Alter nicht das Ende, sondern erst der Anfang ist (Löllgen & Leyk, 2017).


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Im Hinblick auf die Lebenserwartung bei Geburt liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld (BiB, 2020), ein entscheidender Unterschied ist jedoch in der Zahl gesund verbrachter Jahre im Alter auszumachen: Während sich der 65-jährige Norweger an 15 Jahren guter und gesunder Lebensqualität erfreuen kann, verbringt sein deutscher Altersgenosse gerade einmal 6,5 Jahre gesund – fast zwei Drittel seines Ruhestandes sind jedoch von Krankheit, Schmerz oder Pflegebedürftigkeit geprägt (Laschet, 2016).

Ein längeres Leben ist also nicht das primäre Ziel, es geht um eine Verlängerung der Gesundheit. Anstatt viele Jahre, aber bei schlechter Gesundheit zu leben, sollten Menschen ihre Gesundheit und Lebensqualität so lange als möglich erhalten (Partridge, 2022).


Über die Autorin

Antje Ruhwedel, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, ist Dozentin und Tutorin der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie Referentin an der BSA-Akademie. Sie ist selbstständige zertifizierte Ernährungsberaterin mit eigener Praxis sowie Inhaberin eines Sport- und Gesundheitsstudios.


Der individuelle Lebensstil, persönliche Ressourcen, die soziale Integration sowie eine adäquate medizinische Betreuung können den Gesundheitszustand, die Lebensqualität und das Wohlbefinden erheblich beeinflussen, weswegen sie als Erfolg versprechende Ansatzpunkte für Gesundheitsförderung und Prävention angesehen werden können (Flor, 2019).

Einfluss des Lebensstils auf das Altern

Laut Prof. Dr. Linda Partridge vom Kölner Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns (2022) sind die Stellschrauben des unglaublich komplexen Prozesses des Alterns überwiegend bekannt. Dabei scheint die Genetik nur eine untergeordnete Rolle (< 10 %) zu spielen.

Tatsächlich diktiert zu 80 bis 90 Prozent das individuelle Verhalten inklusive des sozioökonomischen Status, wie stark und schnell die Menschen von sogenannten Alterserkrankungen ereilt werden und auch welches Alter schlussendlich erreicht wird. Kranke 70 oder gesunde 85, der Lebensstil entscheidet!


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Gesundheit im Alter wird durch Lebenslage und Lebensstil beeinflusst. Die Lebenslage wird insbesonderen durch soziale Strukturen bestimmt, also Bildung, Einkommen und Vermögen sowie Merkmale der aktuellen bzw. früheren Berufstätigkeit.

Mit dem Begriff des Lebensstils werden stärker die Entscheidungs- und Wahlelemente einer individuellen Lebensführung betont: Dabei liegt es weitestgehend in den Händen der betroffenen Person, wie sie sich ernährt, ob sie raucht und ob sie Sport treibt.

Die Vermittlung der Wirkung einer gesunden Lebensführung, um damit dem Auftreten altersbedingter chronischer, nicht übertragbarer Krankheiten entgegenzuwirken, stellt nun eine zentrale Aufgabe dar.

Ernährung als wichtiger Lebensstilfaktor

Wie bereits erwähnt, ist die Ernährung eine Stellschraube des Lebensstils, durch die maßgeblich Einfluss auf die Gesundheit genommen werden kann. So ist beispielsweise eine optimale Zufuhr von Proteinen entscheidend für ein gesundes Altern.

Insbesondere bei einer proteinarmen Ernährung essen Menschen mehr, um ihrem Organismus die nötigen Proteine bereitzustellen (Partridge, 2022). Dieses Mehr an Nahrung kann langfristig zu Übergewicht oder Adipositas führen, was das Risiko für Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Osteoporose und weitere Erkrankungen steigen lässt (Deutsche Adipositas Gesellschaft e. V. [DAG], 2014).

In einer Analyse der Ernährungsgewohnheiten von 11.128 älteren Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Zusammenhang mit der geistigen und körperlichen Lebensqualität konnte klar aufgezeigt werden, dass „mediterrane“ Ernährungsmuster (reich an Obst, Gemüse und Olivenöl) gegenüber „westlichen“ Ernährungsmustern (reich an rotem Fleisch, verarbeitetem Gebäck und Fast Food) mit besserer Lebensqualität verbunden waren (Ruano, Henriquez, Martinez-González, Bes-Rastrollo, Ruiz-Canela & Sanchez-Villagas, 2013).


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Auch der narrative Review von Dominguez et al. aus dem Jahr 2022 konnte entsprechende Ernährungsmuster identifizieren und den starken Einfluss bestätigen, den die Ernährung auf ein gesundes Altern hat. Tatsächlich lässt sich durch eine vollwertige Nahrungsaufnahme auch das Risiko, an Osteoporose (Skeletterkrankung mit hoher Altersprävalenz) zu erkranken, verringern oder im Verlauf positiv beeinflussen (Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2019).

Im Allgemeinen gleichen sich die Ernährungsempfehlungen für ältere und jüngere Erwachsene, allerdings benötigt ein 75-Jähriger etwa 25 Prozent weniger Energie als ein 25-Jähriger. Trotz des verringerten Energieumsatzes bleibt der Bedarf an essenziellen Nährstoffen weitgehend unverändert.

Für Calcium sowie die Vitamine D, B6, B12, Folat und C ist er möglicherweise sogar erhöht, da sich u. a. die Resorption mit zunehmendem Alter verändert (Rehrmann, 2007).


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Fettarme Milchprodukte, Vollkornprodukte, Nüsse, Obst und Gemüse in unterschiedlicher Farbe eignen sich dabei sehr gut, um diese Nährstoffe in ausreichender Menge mit zeitgleich geringer Energiezufuhr aufzunehmen.

In der Praxis kann daher mit offiziellen Ernährungspyramiden gearbeitet werden, da diese einen einfachen Überblick geben, welche Lebensmittelgruppen in welcher Menge verzehrt werden sollen, um den Bedarf an essenziellen Nährstoffen zu decken.


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Außerdem geben diese Ernährungspyramiden Empfehlungen zu körperlicher Aktivität und Sport (Lichtenstein, Rasmussen, Yu, Epstein & Russell, 2008). Dabei muss darauf geachtet werden, dass das biologische Alter nicht immer mit dem kalendarischen Alter übereinstimmt, weshalb die Betreuung immer auf Basis individueller Kundenvoraussetzungen, Bedürfnisse und Ziele erfolgen sollte.

In dem Fachartikel „Präventive Altersvorsorge mit Fitnesstraining“ von Tobias Mischo erfahren Sie, welche Trainingsmethoden und Belastungsformen ratsam sind, um Menschen beim Altern präventiv zu unterstützen.


Fazit

Im Zuge des demografischen Wandels liegt ein großes Feld künftiger Aktivitäten der Gesundheitswirtschaft in der Prävention. Hierauf muss ein stärkeres Augenmerk gelegt werden, um in Zukunft die Kosten für Behandlung und Rehabilitation zu begrenzen.

Viele Studien belegen den Zusammenhang von persönlichem Verhalten und individueller Alterung. Daher müssen die Zusammenhänge von Ernährung, Bewegung und Gewicht in Bezug auf Alterungsprozesse stärker kommuniziert und bei der individualisierten Betreuung älterer Menschen genutzt werden (Böhm & Mardorf, 2009).


Auszug aus der Literaturliste

Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung. (Hrsg.). (2021). Fakten zur demografischen Entwicklung Deutschlands 2010-2020. Bericht des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung. Wiesbaden: Hrsg.
Chia, F., Huang, W. Y., Huang, H., & Wu, C. E. (2023). Promoting Healthy Behaviors in Older Adults to Optimize Health-Promoting Lifestyle: An Intervention Study. International journal of environmental research and public health, 20 (2), 1628.
Dominguez, L. J., Veronese, N., Baiamonte, E., Guarrera, M., Parisi, A., Ruffolo, C., Tagliaferri, F., & Barbagallo, M. (2022). Healthy Aging and Dietary Patterns. Nutrients, 14 (4), 889.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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