Fitness, Gesundheit | Autor/in: Dr. Joshua Berger |

Neue Zielgruppen ansprechen: Multidimensionale Anwendbarkeit der GK-EMS

Ganzkörper-Elektromyostimulation (GK-EMS) zählt zu den führenden Trainingsformen in Mikro- und Boutique-Studios und findet daher insbesondere im Freizeit- und Breitensport Anwendung. Weitere Zielgruppen wie Gesundheits- oder Leistungssportler können bei adäquater Anwendung allerdings ebenso von GK-EMS profitieren.

GK-EMS ist auch für spezifisches gesundheits- und leistungsorientiertes Training geeignet

GK-EMS wird als zeiteffiziente Trainingsform bereits seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Settings an verschiedenen Personengruppen angewendet und bezeichnet eine simultane Stimulation aller großen Muskelgruppen (mindestens sechs applizierte Stromkanäle) mit einem trainingswirksamen Reiz, welcher Adaptationen auslöst (Kemmler, Kleinöder & Fröhlich, 2020).

Bei der GK-EMS wird durch auf der Haut angebrachte Elektroden ein Impuls auf die darunterliegende Muskulatur abgegeben, wodurch diese stimuliert wird und somit unwillkürlich kontrahiert.

Praktische Anwendung von GK-EMS

Einer der großen Vorteile dieser unwillkürlichen Kontraktionsweise ist eine verminderte Gelenkbelastung: Im Gegensatz zum konventionellen Krafttraining müssen zur Auslösung eines Trainingsreizes keine Gewichte über ein oder mehrere Muskel-Gelenk-Systeme bewegt werden.

Alle großen Muskelgruppen sowie die tiefer liegende Muskulatur können simultan bis an das individuelle Maximum stimuliert werden, woraus eine geringere Trainingsdauer sowie -häufigkeit resultiert.


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Daher ist eine einmal wöchentlich stattfindende Applikation mit einer Dauer von 20 Minuten im kommerziellen Setting üblich (die Häufigkeit kann je nach Erfahrungsgrad der Trainierenden auf zwei Einheiten pro Woche erhöht werden). Die Trainingsinhalte können von rein statischen über leicht dynamische Übungen bis hin zu komplexen Bewegungsausführungen an das Leistungsniveau einzelner Personen angepasst werden.

Dies erlaubt die bestmögliche Individualisierbarkeit auf Grundlage der physischen Konstitution des zu trainierenden Individuums. Trotz der geringen Trainingsdauer und -häufigkeit ist die Effektivität der GK-EMS in Bezug auf unterschiedliche Aspekte umfangreich nachgewiesen:

Es konnten unter anderem Steigerungen der muskulären Kraftfähigkeiten, Verbesserungen der Körperzusammensetzung sowie Steigerungen der motorischen Leistungsfähigkeit bei Personen unterschiedlichen Alters festgestellt werden (Berger, 2021; Götz et al., 2022; Kemmler, Fröhlich & Eifler, 2022).


Im kommerziellen Sektor findet GK-EMS-Training auf Grundlage der am 1. Januar 2023 in Kraft getretenen Verordnung zum Schutz vor schädlichen Wirkungen nichtionisierender Strahlung bei der Anwendung am Menschen (NiSV) immer unter Anleitung qualifizierter Trainerinnen und Trainer statt. So wird eine effektive und sichere Durchführung gewährleistet. Die Kombination aus niedrigschwelliger Trainingsumsetzung und Personal-Training-Charakter ist einer der Gründe, warum sich GK-EMS in der kommerziellen Anwendung einer großen Beliebtheit erfreut (DSSV, 2022).


Losgelöst von der kommerziellen Anwendung im Freizeit- und Breitensport gibt es jedoch weitreichendere Potenziale des GK-EMS-Trainings. Die Anwendbarkeit im Gesundheits- sowie Leistungssport könnte auch für Mikro- und Boutique-Studios eine Erweiterung des Angebotsportfolios darstellen und somit neue Kundinnen und Kunden an die Einrichtungen binden. (Auch lesenswert: 'Wie ticken EMS-Nutzer?')

Wichtig hierbei ist zu beachten, dass die Anwendung im kommerziellen, nicht medizinisch-therapeutischen Bereich an den relativen sowie absoluten Kontraindikationen orientiert ist, um sowohl die Trainierenden als auch die Trainerinnen und Trainer vor ungewünschten Risiken und Nebenwirkungen der Applikation bei Personen mit schwerwiegenden Vorerkrankungen zu schützen (Kemmler et al., 2019).

Die Anwendung von GK-EMS durch medizinisch-therapeutisches Fachpersonal (z. B. in Physiotherapie- und Arztpraxen mit angegliederter Trainingstherapie) ermöglicht allerdings auch bei vorliegenden Kontraindikationen die Durchführung des Trainings.

Dieses Vorgehen ist jedoch losgelöst vom kommerziellen Sektor zu betrachten (z. B. im Rahmen eines Trainings mit Diabetespatientinnen und -patienten).

Anwendbarkeit im Gesundheitssport

Gesundheitssport ist durch eine aktive, regelmäßige und systematische körperliche Belastung gekennzeichnet und sollte so strukturiert werden, dass die Inhalte an die individuellen Voraussetzungen der Trainierenden angepasst werden können (Kindermann et al., 1993). (Auch interessant: 'Neue EMS-Guidelines')

GK-EMS kann vor allem für vulnerable Personengruppen, welche ein konventionelles Kraft- und Ausdauertraining aufgrund von Vorerkrankungen oder Schmerzen nicht mehr durchführen können, eine sinnvolle Möglichkeit der Prävention und Therapie darstellen.


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Bei der GK-EMS ist die Gelenkbelastung niedriger als beim konventionellen Krafttraining und die Inhalte können so angepasst werden, dass z. B. in statisch stehender, sitzender oder liegender Position ein trainingswirksamer Stimulus auf die Muskulatur einwirkt und dadurch muskuläre Adaptationen generiert werden können (Kemmler et al., 2022).

In einer vorangehenden Untersuchung von Kemmler, Teschler und von Stengel (2015) wurde beispielsweise mit Sarkopeniepatientinnen (Beeinträchtigung durch Abnahme von Muskelmasse und Muskelkraft) im Alter von über 70 Jahren eine zwölfwöchige GK-EMS-Intervention durchgeführt.

Die Trainingsdurchführung erfolgte hierbei in einer liegenden Position und es wurden einfache, eingelenkige Übungen in den Trainingsplan einbezogen. Die Patientinnen konnten durch die GK-EMS sowohl die Muskelkraft steigern als auch die Körperzusammensetzung verbessern (Kemmler et al., 2015).

In Bezug auf die Schmerzintensität bei chronisch unspezifischen Rückenschmerzen konnten in mehreren Untersuchungen positive Effekte durch GK-EMS beobachtet werden. Ebenso wurden für die Vorerkrankungen Bluthochdruck, Adipositas und Arthrose durch die individualisierte und gelenkschonende Anwendung der GK-EMS Verbesserungen der Krankheitsbilder festgestellt (Kemmler et al., 2022).

Eine GK-EMS-Anwendung zur positiven Beeinflussung gesundheitlicher Einschränkungen scheint demnach – sicher und fachgerecht durchgeführt – eine adäquate Ergänzung des Angebotsportfolios im Gesundheitssport darzustellen. (Auch lesenswert: 'Was gilt im EMS-Bereich?')

Anwendbarkeit im Leistungssport

Ziel des leistungssportlichen Trainings ist es, individuelle Höchstleistungen in der betriebenen Sportart zu erreichen (Röthig, Becker, Carl, Kayser & Prohl, 1992). GK-EMS kann dazu beitragen, sowohl die maximalen Kraftfähigkeiten zu verbessern, als auch durch ein starkes und ausgewogenes Muskelkorsett des Rumpfes Verletzungen vorzubeugen.

Dadurch wird eine konstante Teilnahme am Trainings- und Wettkampfbetrieb positiv beeinflusst – ein essenzieller Faktor zum Erreichen individueller Höchstleistungen.


Über unseren Autor

Dr. Joshua Berger arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent im Fachbereich Fitness/Individualtraining an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und als Referent an der BSA-Akademie. Seit 2017 ist er Mitglied im EMS-Fachkreis, der sich mit aktuellen Themen rund um EMS-Training sowie mit praktischen Leitlinien für den konventionellen Gebrauch befasst.


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Vorangehende Untersuchungen konnten hier unter anderem beim Radsport sowie Fußball Verbesserungen der allgemeinen muskulären sowie sportartspezifischen Leistungsfähigkeit feststellen, wobei die GK-EMS mit nur einer zusätzlichen Trainingseinheit pro Woche gut in die Trainingsroutine der Athleten integrierbar war (Berger, Ludwig, Becker, Kemmler & Fröhlich, 2020; Ludwig et al., 2020).

In einem Review von Micke, Held, Lindenthal und Donath (2022) zur Effektivität von GK-EMS bezüglich der Leistungsfähigkeit trainierter Personen und Athleten konnte des Weiteren festgestellt werden, dass selbst bei hochtrainierten Sportlerinnen und Sportlern Verbesserungen der muskulären Leistungsfähigkeit, Sprunghöhe und Sprintzeit durch GK-EMS erreicht werden können.

Hierbei scheint eine Kombination aus hoher Intensität der GK-EMS-Applikation mit bewegungsspezifischen Übungsinhalten am effektivsten, was auch als „superimposed EMS“ bezeichnet wird (Micke et al., 2022).


Lesetipp: Dr. Joshua Berger erläutert in seinem Beitrag „Sicheres und effektives Ganzkörper-EMS-Training“ das Vier-Faktoren-Modell der GK-EMS. Im Artikel erfahren Sie mehr zur Planung und Umsetzung von GK-EMS-Training.


Fazit

Grundsätzlich ist auf Grundlage des Vier-Faktoren-Modells der GK-EMS zu beachten, dass sich je nach Zielgruppe auch die durchgeführten Trainingsinhalte sowie die Sicherheitsaspekte und Diagnostiken zur Überprüfung des Trainingserfolges ändern und somit alle Faktoren einem wechselseitigen Einfluss unterliegen.

Wie vorangehend beschrieben verfügt GK-EMS über eine breite Anwendbarkeit auf unterschiedliche Zielgruppen; die Altersspanne variiert ebenfalls in einem großen Ausmaß und kann u. a. sowohl jugendliche Athleten als auch ältere Personen mit Vorerkrankungen einbeziehen (Berger, 2021, 2022).

Trotz der vorrangigen Anwendung in Mikro- und Boutique-Studios im Kontext des Freizeit- und Breitensports gibt es weitere Anwendungsmöglichkeiten der GK-EMS, welche spezifische Felder wie Gesundheits- und Leistungssport einschließen.

In Abhängigkeit zum Setting (Fitness- und Gesundheitsstudio oder angegliederter Trainingsbereich einer medizinisch-therapeutischen Einrichtung) sowie zu den damit verbundenen Kontraindikationen ist es demnach für unterschiedliche Studios und Einrichtungen möglich, das eigene Portfolio durch spezifisches gesundheits- und leistungsorientiertes Training entsprechend zu erweitern und somit neue Kundenkreise zu erschließen.


Auszug aus der Literaturliste

Berger, J. (2021). Eine Evaluation der Anwendbarkeit und Effektivität von Ganzkörper-Elektromyostimulation. Dissertation, Technische Universität Kaiserslautern. Kaiserslautern.

Ludwig, O., Berger, J., Schuh, T., Backfisch, M., Becker, S. & Fröhlich, M. (2020). Can A Superimposed Whole-Body Electromyostimulation Intervention Enhance the Effects of a 10-Week Athletic Strength Training in Youth Elite Soccer Players? Journal of Sports Science and Medicine, 19 (3), 535–546.

Micke, F., Held, S., Lindenthal, J. & Donath, L. (2022). Effects of electromyostimulation on performance parameters in sportive and trained athletes: A systematic review and network meta-analysis. European Journal of Sport Science, 1–11.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

Berger, J. (2023). Multidimensionale Anwendbarkeit der GK-EMS. fitness MANAGEMENT international, 2 (166), 122–124.

 

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