Gesundheit, Management | Autor/in: Marlon Kreis |

Wachsende Anforderungen an das Praxismanagement: Kundenbindung und Mitarbeiterqualifikation im Fokus

Trotz steigender Kosten, eines zunehmenden Fachkräftemangels und komplexer gesetzlicher Vorgaben wirtschaftlich erfolgreich zu sein ist eine echte Herausforderung. An welchen personellen und organisatorischen Stellschrauben Physiotherapiepraxen ansetzen können, um Kunden zu binden und ihre Dienstleistungen zu optimieren, lesen Sie im Folgenden.

Praxismanagement, Kundenbindung und Mitarbeiterqualifikation in der Physiotherapie

Die Physiotherapiebranche leidet seit mehreren Jahren unter einem akuten Fachkräftemangel. Bereits seit 2016 besteht ein Fachkräfteengpass in diesem Berufszweig (Bundesagentur für Arbeit, 2019a, S. 14). 

Die Vakanzzeit – also die Zeit bis eine ausgeschriebene Stelle vergeben wird – stieg im Jahr 2019 auf 189 Tage (Bundesagentur für Arbeit, 2019a, zitiert nach Physio Deutschland, 2021, S. 6).

Das bedeutet, dass eine Physiotherapiepraxis im Durchschnitt mehr als sechs Monate um qualifizierte Beschäftigte kämpfen muss, bis die Stelle besetzt werden kann.

Der Fachkräftemangel und seine Ursachen

Der Fachkräftemangel ist jedoch keine zufällige Erscheinung, sondern das Resultat der gegebenen Umstände sowie der bisherigen Branchenentwicklung. Physiotherapeuten können nach Tarifvertrag der Entgeltgruppe sieben zugeteilt werden.

Das Grundentgelt liegt dann zwischen 2.685,53 und 2.905,60 Euro (Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, 2021, S. 123). Die meisten Physiotherapiepraxen können sich aber keine Bezahlung nach Tarifvertrag leisten. Deshalb liegt der Lohn oft deutlich unter diesem Niveau

Das Kostenproblem 

Die Arbeitgeber stehen vor dem Dilemma, konstante Einnahmen durch feste 'Rezeptwerte' bei gleichzeitig steigenden Miet- und Nebenkosten nur über niedrige Personalkosten lösen zu können – und das, obwohl die Angestellten hochqualifiziert sind. 

Hier ein Beispiel: Eine Heilmittelverordnung von MLD-60 (= Manuelle Lymphdrainage, 60 Min.) konnte bis zum 1. August 2021 mit einem gesetzlichen Höchstbetrag von 51,23 Euro angesetzt werden (GKV-Spitzenverband, 2020, S. 1). Bis zum 1. Dezember 2021 ist dieser Betrag zwar auf 64,89 Euro erhöht worden (GKV-Spitzenverband, 2021a, S. 1), nimmt aber zum 1. Dezember 2021 wieder ab, sodass dann mit 58,45 Euro kalkuliert werden muss (GKV-Spitzenverband, 2021b, S. 1).

Egal, welche Preisstruktur man sich ansieht, für Arbeitgeber – besonders in Ballungsgebieten mit steigenden Mietpreisen – bleibt wenig Spielraum für attraktive Gehälter.

Des Weiteren bringen neue Regularien wie die umfangreichen Anpassungen der Heilmittelrichtlinien im Januar 2021 und die Änderungen der gesetzlichen Preislisten im August und Dezember 2021 große Herausforderungen mit sich. Denn durch die notwendige Einarbeitung in die neuen Regularien ist weniger Zeit an der Behandlungsbank möglich und das kostet das Unternehmen Geld.

Dennoch: Eine gute Bezahlung, zufriedene Beschäftigte und glückliche Patienten sind möglich – aber wie?

Die Lösung: langfristige Kundenbindung 

Essenziell für einen hohen Umsatz, der höhere Gehälter ermöglicht, sind vor allem zwei Dinge:

1.) Das Binden von A-Patienten! Damit sind zu behandelnde Personen gemeint, die einen guten Stundenlohn und viele Verordnungen versprechen, z. B. Privatpatienten, die nach einer Operation in die Praxis kommen.

2.) Die Patienten des Ersten Gesundheitsmarktes – mit fester Vergütung – zu Kunden des Zweiten Gesundheitsmarktes – mit individueller Preisgestaltung – machen.

Angebote, wie Kinesiotape, Personal Training, Gruppen- oder Zirkeltraining, können hier eine Rolle spielen.

Wachsende Herausforderungen für das Praxismanagement

Dieser Transfer gelingt nur dann, wenn das Praxismanagement qualitativ hochwertig arbeitet und umfassende Gesundheitsdienstleistungen sowie einen professionellen Service bietet. 

Das Binden von A-Patienten entsteht durch Freundlichkeit, einen permanent gelebten Servicegedanken, ein großes Know-how und perfekt abgestimmte Prozessabläufe.


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Das Praxismanagementteam ist vom guten Gefühl am Empfang, über die Abrechnung von Rezepten, bis zum Abschluss beim freundlichen Verabschieden des Patienten für eine erfolgreiche Bindung verantwortlich

Patienten über Behandlung hinaus erhalten

Werden Service und Qualität in jeder Sekunde vom Praxismanagementteam gelebt, können diese Strukturen klar vermittelt, die Abrechnungen reibungsfrei abgeschlossen und Patienten zielführend betreut werden.

Das führt zu einer starken Bindung, weshalb die Patienten die Praxis nicht verlassen werden und dem Unternehmen im besten Fall über die Behandlung hinaus als zahlende Mitglieder (bspw. im eigenen Selbstzahlerbereich) erhalten bleiben.

Vertrieb von Zusatzangeboten

Des Weiteren kann so der Vertrieb von Zusatzangeboten über diesen Servicegedanken positiv gesteuert werden. Das entlastet die Therapeuten, die das Thema 'Aktiver Vertrieb' in ihrer Ausbildung meist nur rudimentär behandelt haben.

Eine zielführende Ansprache durch das Praxismanagement resultiert bei Patienten in einem guten Gefühl, denn ihnen wird das angeboten, was sie benötigen – dadurch werden sie schließlich zu Kunden

Qualifizierte Angestellte als Erfolgsschlüssel

Damit das Praxismanagement den wachsenden Markt- und Kundenanforderungen gerecht werden kann, ist eine gute interdisziplinäre Ausbildung heute essenziell.

Das Mitarbeiterteam muss über entsprechende Branchenkenntnisse (Gesundheitsmarkt), ökonomisches Fachwissen (BWL bzw. VWL), Service- und Beratungsfähigkeiten (Servicemanagement) und idealerweise auch über spezifische Fertigkeiten zur Abrechnung von Kassen- und Privatrezepten verfügen.

Beschäftigte gezielt weiterentwickeln

Diese Kompetenzen gilt es, mithilfe passender Aus- und Weiterbildungsangebote zu erwerben, und so die eigenen Beschäftigten gezielt weiterzuentwickeln bzw. zukunftsorientiert in Nachwuchsfachkräfte zu investieren

Beispielsweise können dual Studierende von breit gefächerten interdisziplinären Studiengängen in der Praxisorganisation (Management, Verwaltung, Verkauf, Vermarktung usw.) und Kundenbetreuung (sowohl im Servicebereich als auch auf der Trainingsfläche) flexibel eingesetzt werden und so das Unternehmen als qualifizierte Beschäftigte bestmöglich unterstützen.


Fazit

Um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen Physiotherapieeinrichtungen sich im Rahmen ihrer Praxisorganisation künftig noch professioneller aufstellen.

Qualifizierte Fachkräfte, weiterführende Gesundheits- und Präventionsangebote und optimale Dienstleistungsprozesse sind dabei die Basis, um den wachsenden Marktherausforderungen und Kundenerwartungen in der Praxis auch gerecht zu werden.

Je professioneller und kundennäher Unternehmen hier agieren, umso eher können Zusatzumsätze realisiert, Kunden langfristig gebunden, Arbeitsprozesse weiter optimiert und Existenzen langfristig gesichert werden!


 

Über den Autor

Marlon Kreis, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, arbeitete mehrere Jahre in Physiotherapie- und Arztpraxen. Er behandelte Profisportler und Patienten in der Schmerztherapie und im Rehabilitationstraining. Zwei Jahre leitete er das Zentrum für Bewegungsanalyse in Köln. Seit 2018 ist er Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) und der BSA-Akademie.


Auszug aus der Literaturliste

Bundesagentur für Arbeit. (2019a). Berichte: Blickpunkt Arbeitsmarkt – Fachkräfteengpassanalyse. Nürnberg: Bundesagentur für Arbeit.
Physio Deutschland. (2021). Zahlen, Daten, Fakten zur Physiotherapie. Zugriff am 27.09.2021.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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