fM: Sie sind seit fast 30 Jahren als Ernährungsberater u. a. für Spitzensportler tätig und wissen, was eine gute Beratung ausmacht. Welche Voraussetzungen sollten Fitness- und Gesundheitsanlagen erfüllen, um das Thema ebenfalls erfolgreich anbieten bzw. umsetzen zu können?
Jan Prinzhausen: Grundsätzlich gibt es für Ernährungsberatung im kommerziellen Sinne keine Leitlinien oder Vorschriften, wie z. B. eine Räumlichkeit aussehen muss. Anders sieht es in der Adipositastherapie bzw. bei den Beratungen, die durch Krankenkassen subventioniert sind, aus.
Hier gibt es klare Leitlinien zu Raumgröße und -gestaltung, Anzahl der Personen pro Beratung, Mobiliar und Co.
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Wenn man die Ernährungsberatung in einer Sitzecke am Rande der Trainingsfläche abhält, ist die Ablenkung durch Lärm sowie andere Mitglieder groß und es gibt Hemmungen beim Benennen der Probleme.
Daher sollte ein separater und ruhiger Raum zur Verfügung stehen. Dadurch werden gleichzeitig Hürden des Datenschutzes genommen, da die sensiblen Daten nicht von anderen Mitgliedern gehört werden könnten.
Auch die Anordnung der Möbel kann entscheidend sein: Psychologen weisen darauf hin, dass Gegenübersitzen ein Gefühl von Chef und Untergebenen erzeugt, daher ist es ratsamer, im rechten Winkel zueinander zu sitzen.
Über den Interviewpartner
Jan Prinzhausen: Durch eine bereits bestehende Fitnessaffinität sowie eine Beratung durch die Universität Jena begann Jan Prinzhausen Anfang der Neunzigerjahre ebenda ein Studium der Ernährungswissenschaften. Nach Abschluss des Studiums arbeitete er in der Lebensmittelanalytik, bevor er zurück an die Universität wechselte und in den Bereichen Lebensmittelchemie und Sportmedizin lehrend tätig wurde. Der Diplom-Trophologe leitet die Ernährungsberatung am Olympiastützpunkt Thüringen, betreut internationale Athletinnen und Athleten und arbeitet seit einigen Jahren als Dozent an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie der BSA-Akademie. Darüber hinaus veröffentlichte er als Autor Bücher zu den Themen Sporternährung, Abnehmen und Ernährungsberatung.
Bei der Raumgestaltung setzen einige Anbieter mit Anatomiepostern oder 3D-Modellen auf ein medizinisches Flair, damit ein Praxisfeeling entsteht. Das ist aber kein Muss. Investiere ich jedoch in solche Lehrmaterialien, kann und sollte ich sie auch nutzen.
Denn sie sind oft hilfreich, um das Wissen entsprechend zu stützen. Zur Grundausstattung gehören aber Nachschlagewerke für Referenzwerte und Leitlinien, Formulare für Ernährungsprotokolle und Dokumentationsbögen. Und auch Caliper oder Bioimpedanzwaagen sind für die Bestimmung von Körperfett und anderen Parametern zu empfehlen.
Nicht allen Betrieben stehen Räumlichkeiten zur Verfügung. Wie können sie dennoch ein Ernährungskonzept anbieten?
Das Anmieten von Räumlichkeiten ist eine Möglichkeit, zeitgleich aber oft mit hohen Kosten verbunden. Es können aber auch mobile Angebote geschaffen und Klientinnen und Klienten zu Hause oder im Betrieb besucht werden. Zudem ist die Angliederung an bestehende Praxen denkbar.
Arztpraxen oder Gesundheitszentren verfügen über die Räumlichkeiten, die Einrichtung und zeitgleich die Klienten. Oft fehlt dort aber ein Ernährungsangebot. Hier können sich Studios als Experte positionieren und ihr Netzwerk erweitern.
Eine gute Beratung hängt von gutem Personal ab. Worauf sollten Betreiber bei der Auswahl der Mitarbeitenden achten und welche Aus- und Weiterbildungen sind unerlässlich?
Wer Ernährungsberatung durchführt, muss in erster Linie empathisch mit Menschen umgehen können. Man arbeitet über einen längeren Zeitraum zusammen und nicht immer sind alle Klienten einfach und einsichtig. Daher sollte man die entsprechenden Soft Skills mitbringen.
Aus fachlicher Sicht bildet das Wissen, wie Nährstoffe im Körper wirken und Lebensweisen die Ernährung beeinflussen, die Basis. Daher ist eine Ernährungstrainer-B-Lizenz das Fundament, um die Grundsätze einer gesunderhaltenden Ernährung vorstellen sowie Fehler erkennen und optimieren zu können. (Auch interessant: 'Ernährungsfachkräfte zielführend einsetzen')
Sobald Klienten Erkrankungen haben und/oder eine Medikamenteneinnahme erfolgt, reicht eine B-Lizenz nicht mehr. Hierfür ist ein Bachelor- bzw. Master-Studium oder eine Ausbildung zum Diätassistenten Pflicht. Das hat vor allem juristische Gründe.
Der Begriff „Ernährungsberater“ ist rechtlich nicht geschützt, daher kann theoretisch jeder diesen Titel verwenden. Aus diesem Grund grenzen die Krankenkassen und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung klar ab, was Prävention und was Therapie ist.
Daher besteht für die Arbeit mit Kranken – wozu auch Menschen mit Essstörungen zählen – der höchste Fachanspruch, der nur durch ein Studium oder einen Fachberuf in dem Bereich Ernährung erreicht werden kann.
Zusätzlich können weiterführende Lizenzen helfen, um beispielsweise leistungsorientierte Mitglieder oder Spitzensportler betreuen zu können. Hierfür sollten die Inhalte der Lehrgänge speziell auf Energiestoffwechsel, Regeneration und die Belastung des Körpers unter Berücksichtigung der Ernährung ausgelegt sein.
Welche Möglichkeiten haben Studios abseits von Aus- und Weiterbildung, um die fachliche Qualität ihrer Angebote und ihrer Mitarbeitenden zu untermauern?
Die Kooperationen mit den Krankenkassen sind an Vorgaben von Fachabschlüssen und kontinuierliche Aufrecherhaltung bzw. Erweiterung des Wissens geknüpft. Im Umkehrschluss betont eine bestehende Kooperation mit Kassen die Qualifikation der Mitarbeiter und die Qualität der Angebote.
Natürlich kann ich Angebote auch zertifizieren bzw. lizenzieren lassen. Im Bereich der Prävention geht das z. B. durch die Zentrale Prüfstelle Prävention oder die Anerkennung durch die GKV.
Für den therapeutischen Sektor bieten dies die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, der BerufsVerband Oecotrophologie oder die Deutsche Gesellschaft der qualifizierten Ernährungstherapeuten und Ernährungsberater an.
In der Ernährungsberatung kommt es neben dem Know-how auch viel auf Vertrauen und Einfühlungsvermögen an. Was ist bei der Kommunikation entscheidend?
Wichtig ist, was sich die Klienten vorstellen, wo sie sich selbst sehen und wie die Studios helfend dazukommen. Es muss nicht nur den Klienten oder dem Patienten erklärt werden, was das Ziel ist, sondern mit emotionalen Triggern agiert werden, um Verständnis zu wecken.
Ich muss die Leute also erstmal reden lassen, um herauszufinden, warum sie da sind, welche Ziele sie haben, warum ihre Ernährung so ist, wie sie ist. Denn ohne einen Ansatzpunkt zu haben, mit dem man die Leute „ködern“ kann, funktioniert es nur bei denen, die schon ganz konkret ein Ziel im Blick haben.
Weitere Hintergründe
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Auch das Feedback ist entscheidend. Nicht immer erreichen alle Klientinnen und Klienten ihre Hauptziele in vollem Umfang. Daher sollten auch Teilziele formuliert werden. Das kann auch mit Training kombiniert werden.
So gelingt es beispielsweise dem Klient nach gewisser Zeit, mehr Gewicht zu stemmen, er hat weniger Rückenschmerzen und gelernt, wie man Lebensmitteletiketten richtig liest. Anbieter müssen das als Feedback zurückgeben und Teilziele als Motivator wirken lassen.
Wie können bzw. sollten sich Fitnessstudios aufstellen, um möglichst vielen Interessierten ein maßgeschneidertes Angebot zu bieten?
Im Grunde gibt es zwei Dimensionen. Zum einen können die Studios schauen, welche Mitglieder sie haben und aus welchen Zielgruppen sie bestehen. Habe ich beispielsweise einen hohen Anteil an Senioren, benötige ich vermutlich weniger Ernährungsberatung für das Bodybuilding.
Basierend auf dieser Analyse kann ich für das Studio ein Ernährungsberatungskonzept entwickeln. Bei der anderen Dimension will ich durch die Ernährungsberatung weitere Personen ansprechen. In diesem Fall begrenze ich mein Studio also nicht nur auf die bestehenden Mitglieder, sondern versuche, auch Gruppen mit anderen Zielen anzusprechen.
Was mir aber in diesem Fall immer wieder auffällt ist, dass hier viele nicht kreativ sind. Es werden immer wieder dieselben Angebote präsentiert. So konkurrieren alle Anbieter um die identischen Personen, die im Zweifel gar nicht von selbst den Weg zum Angebot finden. Viele andere Gruppen, die sehr viel euphorischer und motivierter an ihre Zielsetzung rangehen, werden dadurch oft vernachlässigt.
Daher lohnt es sich, über den Tellerrand zu blicken und Angebote beispielsweise für Muskelaufbau, Körperformung, Schwangerschaften oder auch Anti-Aging anzubieten, um sich abzugrenzen. Damit habe ich einen USP, der mit der entsprechenden Ausbildung der Mitarbeiter monetarisiert werden kann.
Für die Ernährungsberatung gibt es eine Vielzahl an Angeboten. Worauf sollten Studios bei der Auswahl achten?
Je mehr Leistungen ich anbiete, desto mehr falle ich auf oder grenze mich von anderen ab, die sich stark eingrenzen. Aber alles anzubieten ist in der Praxis schlichtweg unmöglich.
Man kann nicht in jedem Bereich ein Vollprofi werden und seinen Wissensstand aktuell halten. Daher sollte ökonomisch gearbeitet werden: die Eingrenzungen so vornehmen, dass mit geringstem Aufwand, mehrere Teilziele betreut werden können.
Biete ich einen Komplex, den ich in verschiedenste Ziele aufsplitte, komme ich mit ähnlichen Methoden voran. Zum Beispiel funktionieren die Teilziele körperliche Leistung, Muskelaufbau, Körperformung und Körperzusammensetzung gut miteinander. So kann ein breites Angebot mit geringerem Einsatz realisiert werden. Das ist effizient.
Welche Tipps können Sie für das Thema Monetarisierung geben? Worauf sollten Anbieter bei der Preisgestaltung achten?
Die angesprochenen Teilziele sind auch für die Rechnungsstellung relevant. Mit ihnen kann man im Detail erklären, welche Leistungen erfolgt sind und dass sie zum Ziel geführt haben.
Denn auch die Teilschritte wie Ernährungspläne, Auswertung von Protokollen und Co. waren Serviceleistungen, die zum Erreichen des Ziels geführt haben. Das alles macht den Gesamtpreis aus.
Welchen Tipp können Sie Studios sowie Trainerinnen und Trainern an die Hand geben, um Ernährungsberatung erfolgreich umzusetzen?
Viele versuchen sich einfach „durchzumogeln“, indem sie sagen: „Für Ernährungsberatung kommen nicht genug Interessenten und die wollen auch kein Geld ausgeben.“ Also bieten sie nur ein kleines Angebot und sprechen dadurch auch nicht die breite Masse an, die bei richtiger Umsetzung möglich wäre.
Ernährungsberatung muss als qualitativ hochwertige und funktionelle Leistung etabliert werden. Sie muss individuell und alltagsgerecht umgesetzt werden.
Lesetipp: 'Passgenaue Konzepte in der Ernährungsberatung'
„08/15-Angebote“ nebenbei setzen sich nicht durch und werden schnell als Geldschneiderei abgewertet. Man muss also auch mal den Mut haben, zu sagen: „Ich stelle Angebote für die zur Verfügung, die mehr Geld ausgeben wollen.“
Gleichzeitig sind Konzepte wie ein „Gesundheitsstammtisch“ eine schöne Sache, um die Ernährungsberatung als abgerundetes, angenehmes Treffen verkaufen zu können. Gleichgesinnte können zusammen kommen und sich über verschiedenste Sachverhalte austauschen. Das funktioniert auch mit kleineren Workshops.