Management, DSSV | Autor/in: Iris Borrmann |

Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers beim Urlaub des Mitarbeiters

Diese etwas verwirrende Überschrift bedeutet nicht etwa, dass der Arbeitgeber den Mitarbeiter in den Urlaub begleiten oder für dessen Unterhaltung sorgen muss. Die Mitwirkungspflicht setzt viel früher ein. Im wahrsten Sinne des Wortes müssen alle Arbeitgeber ihre Mitarbeiter künftig daran erinnern, dass sie erstens über einen bestimmten Urlaubsanspruch im Jahr verfügen und zweitens diesen auch bitte wahrnehmen sollen.

Welche Pflichten hat der Arbeitgeber in Bezug auf den Jahresurlaub seiner Arbeitnehmer?

An eine entsprechende Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zur Mitwirkungspflicht hat sich nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) – zuletzt in einer Entscheidung vom 31. Januar 2023 – angelehnt. (Auch interessant: 'Fitness nach wie vor 'in'')

Grundsätzliches

Der Jahresurlaub muss grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr genommen werden (§ 7 Abs. 3 BUrlG) – ansonsten verfällt er.

Prinzipiell ist eine Urlaubsübertragung ins Folgejahr nur möglich, wenn dringende persönliche Gründe oder dringende betriebliche Gründe dies rechtfertigen. Im Fall einer Übertragung des Urlaubs in das nächste Jahr muss er in den ersten drei Monaten, also bis zum 31. März genommen werden.

Dringende persönliche Gründe sind beispielsweise:

  • Arbeitsunfähigkeit
  • Erkrankung eines Angehörigen, der gepflegt werden muss
  • Erkrankung des Lebensgefährten, mit dem der Urlaub verbracht werden sollte

Dringende betriebliche Gründe können sein:

  • termin- oder saisongebundene Aufträge
  • technische oder verwaltungsmäßige Probleme im Betriebsablauf
  • hoher Krankenstand im Unternehmen

Der BAG-Fall

Ein Mitarbeiter, der seit Mitte Januar 2016 arbeitsunfähig erkrankt war, schied Anfang 2019 aus dem Arbeitsverhältnis aus, ohne wieder gesund geworden zu sein. Üblicherweise kann ein Arbeitnehmer, der im ganzen Urlaubsjahr krank gewesen ist, ohne dass er die Möglichkeit hatte, seinen Urlaub zu nehmen, den Urlaub für die Dauer von 15 Monaten übertragen.

Der Urlaub würde also erst nach dem 31. März des übernächsten Jahres verfallen. Im o. g. Fall wäre der Urlaub also mit dem 31. März 2018 verfallen. Der Mitarbeiter beanspruchte in dem Gerichtsverfahren jedoch auch den Urlaub aus dem Jahr 2016 für sich.

Die Entscheidung

Nach der BAG-Entscheidung erlischt der Urlaub nur dann nach Ablauf von 15 Monaten, wenn der Arbeitnehmer seit Beginn des Urlaubsjahres (ab 1. Januar) durchgehend bis zum 31. März des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Kalenderjahres arbeitsunfähig war.

Nur in diesem Fall tritt die Rechtsfolge unabhängig davon ein, ob der Kläger seinen Mitwirkungsobliegenheiten nachgekommen ist.

Hat der Arbeitnehmer hingegen im Verlauf des Bezugszeitraums gearbeitet (wie in dem entschiedenen Fall vom 1. bis zum 18. Januar), bevor er arbeitsunfähig erkrankt ist, kann der Urlaubsanspruch grundsätzlich nur dann nach Ablauf der 15-Monats-Frist verfallen, wenn der Arbeitgeber die Inanspruchnahme des Urlaubs zuvor „in gebotener Weise“ ermöglicht hat, also den Mitarbeiter ausdrücklich auf seinen Urlaubsanspruch aufmerksam gemacht hat.

Wie weise ich den Arbeitnehmer richtig auf seinen Urlaub hin?

Das Bundesarbeitsgericht hat auch darüber entschieden, was eine konkrete und transparente Information erfordert. Es ist der Auffassung, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, über den konkret bezeichneten Urlaubsanspruch eines bestimmten Jahres zu informieren.

Aufgrund dieses Urteils ist davon auszugehen, dass ein Merkblatt oder eine E-Mail, die sich pauschal an alle Mitarbeiter richtet, nicht ausreichen wird, um den vom BAG gestellten Anforderungen zu genügen, weil damit nicht jedem Arbeitnehmer individuell mitgeteilt werden kann, wie viel Urlaub ihm selbst zusteht.

Der Hinweispflicht könnte der Arbeitgeber zum Beispiel genügen, wenn er am Anfang eines Kalenderjahres in Textform (schriftlich oder per E-Mail)

  • individuell jedem Arbeitnehmer mitteilt, wie viele Urlaubstage ihm in dem betreffenden Kalenderjahr (noch) zustehen,
  • ihn auffordert, den Urlaub so rechtzeitig zu beantragen, dass er innerhalb des laufenden Urlaubsjahres genommen werden kann und
  • ihn darüber informiert, dass der Urlaub verfällt, wenn er nicht rechtzeitig genommen wird.

Um sicher zu gehen, sollte anschließend die Kenntnisnahme des Arbeitnehmers durch dessen Unterschrift bestätigt werden.

Kein Hinweis, keine Verjährung

Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil klargestellt, dass Urlaubsansprüche sogar aus früheren Jahren geltend gemacht werden können, wenn der Arbeitgeber seiner Hinweispflicht nicht nachkommt bzw. nachgekommen ist.

In diesem Fall kann man sich auch nicht auf die dreijährige Verjährung nach § 195 und § 199 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) berufen.


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Die Verjährungsfrist beginnt dann erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Beschäftigten über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallsfristen belehrt hat und in dem der Arbeitnehmer den Urlaub dann aus freien Stücken trotzdem nicht genommen hat.

Das heißt: Fehlt der Hinweis des Arbeitgebers oder konnte der Arbeitnehmer den Urlaub etwa aus betrieblichen Gründen nicht nehmen, kann er Ansprüche noch Jahre später geltend machen.

Wie oft muss der Arbeitgeber hinweisen?

Zwar hat das BAG in seiner Entscheidung ausdrücklich erwähnt, dass die einmal erteilte Information nicht ständig im Laufe eines Jahres aktualisiert werden muss.

Es erscheint aber durchaus sinnvoll, die Mitarbeiter im Laufe des Jahres noch ein weiteres Mal über den dann noch bestehenden Urlaubsanspruch zu informieren, zumindest dann, wenn sich einige Monate vor Jahresende zeigt, dass erhebliche Mengen an Urlaub noch nicht in Anspruch genommen worden sind.


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Berücksichtigt man, dass Urlaubsansprüche bei lang andauernder krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit nur dann verfallen, wenn vor Eintritt der Arbeitsunfähigkeit der Urlaubshinweis erfolgt ist, spricht einiges für eine unmittelbare Benachrichtigung bereits zu Anfang des Kalenderjahres.

Für den Fall, dass der Arbeitgeber gleich am Anfang eines Urlaubsjahres einen Urlaubshinweis an jeden einzelnen Mitarbeiter erteilt, könnte der aussehen wie im folgenden Beispiel.

Der DSSV berät Sie gern zu weitergehenden Fragen.


Muster Arbeitgeberhinweis

Lieber Michael Muster,

in diesem Jahr stehen dir vertraglich 25 Urlaubstage zu. Bitte achte darauf, dass du alle 25 Tage in diesem Jahr (2023) beantragst und in Anspruch nimmst. Urlaubsansprüche, die nicht rechtzeitig beantragt und in Anspruch genommen werden, verfallen ersatzlos.

Für die Entgegennahme deines Urlaubsantrages ist Oli Orga zuständig. Bitte reiche den Antrag dort rechtzeitig, mindestens zwei Monate vor Urlaubsbeginn, ein.

Mit freundlichen Grüßen
Dein Chef (oder Personalverantwortlicher)

Zur Kenntnis genommen
Michael Muster


Falls es aus dem letzten Jahr noch übertragene Urlaubsansprüche gibt, sollten diese und deren Abgeltung bis zum 31. März des laufenden Kalenderjahres auch im Anschreiben erwähnt werden.


Über die Autorin

Iris Borrmann, DSSV-Juristin ist seit 1993 als Rechtsanwältin zugelassen und hat seitdem sowohl als Anwältin in einer arbeitsrechtlich ausgerichteten Kanzlei als auch in der Mitgliederberatung eines Verbandes gearbeitet. Ihr Schwerpunkt ist das Arbeitsrecht. Seit Oktober 2016 ist sie als Syndikusanwältin für den DSSV tätig und berät Sie zu allen Fragen rund um das Arbeitsverhältnis zu Ihren Beschäftigten.

Tel.: 040 - 766 24 00
E-Mail: jurist@dssv.de

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