Management, Markt | Autor/in: fM Redaktion |

Henrik Gockel, Geschäftsführer PRIME TIME fitness GmbH, im Interview: „Wir investieren in das ‚Warum‘!“

Mitarbeitenden, die man sich wünscht, bekommt man eher, wenn man sie selbst ausbildet. Henrik Gockel, Geschäftsführer PRIME TIME fitness GmbH, hat während der Pandemie festgestellt, dass Personal nach einer sicheren Branche gesucht hat. Dass niemand mehr arbeiten will oder er niemanden mehr findet, war nicht der Fall. Im Interview erzählt er, wie PRIME TIME fitness personell immer optimal aufgestellt ist und die Mitarbeitenden motiviert.

Im Interview stellt Henrik Gockel die Lösungsstrategien von PRIME TIME fitness für den Fachkräftemangel vor

fM: Wie macht sich der Fachkräftemangel in Ihrem Unternehmen bemerkbar und welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Ihre Studios?

Henrik Gockel: Wir alle erleben zurzeit eine besondere Phase. Das gilt auch für unser Unternehmen. Wir können nicht sagen, dass wir voll besetzt sind. Im Moment sind wir im Trainingsbereich gut aufgestellt, ebenso im Member-Management. Im Salesbereich fehlen uns ein paar Kräfte. Ich kann aber nicht sagen, dass wir generell spüren, dass hier niemand mehr arbeiten will oder wir niemanden finden.


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Hauptsächlich liegt das an unserem Konzept. Wenn du jemanden im Club brauchst, der mal Rezeption, mal ein bisschen Training macht, dann kannst du Leute haben, die nicht bei dir ausgebildet wurden. Unser System ist aber komplexer. Das können wir nur mit einem richtig gut qualifizierten Team umsetzen.

Es war schon immer eine Herausforderung im Fitnessbereich, alle Positionen mit geeigneten Kandidaten zu besetzen. Das kenne ich aus meiner Zeit bei TC oder auch Fitness First. Vielleicht waren alle Stellen besetzt, aber nicht so qualifiziert, wie wir uns das vorgestellt hatten.


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Als ich an der DHfPG als Dozent angefangen habe, habe ich erkannt, dass man die Mitarbeitenden, die man sich wünscht, eher bekommt, wenn man sie selbst ausbildet. Bei der Gründung von PRIME TIME fitness war mir der Kontakt zur Hochschule sehr wichtig, weil dort die Ressourcen für qualifizierte neue Mitarbeitende sind.

Nach wie vor ist die DHfPG unsere Hauptressource für Mitarbeitende. Unser Königsweg ist, Mitarbeitende vom Bachelor-Studium bis zum Master durchzuqualifizieren und dann – wenn möglich – zu halten.

Seit wann nehmen Sie diese Entwicklung wahr? Mit welcher Strategie und welchen Lösungen arbeiten Sie im Recruiting und Personalmanagement an diesen Herausforderungen?

Die Corona-Pandemie hat die Aufgabe für das Personalmanagement schwieriger gemacht. Ich denke, eine Auswirkung war, dass potenzielle Arbeitnehmer der Branche gesagt haben: „Fitness ist kein sicheres Geschäft, weil die Studios geschlossen waren. Ich suche nach was Sicherem, was eben nicht von solchen Krisen betroffen ist.“

Das hat uns schon getroffen. Während Corona haben wir zu Beginn mit dem Kurzarbeitergeld und der Aufstockung keine einzige Kündigung gehabt. Im Verlauf der Pandemie kamen dann Kündigungen. Es gab Monate, in denen wir echte Besetzungsthemen hatten, weil die Leute wieder normal zum Training kamen.


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Ich würde aber nicht sagen, dass das ein generelles Problem der Generation ist, die gerade auf den Arbeitsmarkt kommt. Wir kriegen ein paar weniger Bewerbungen, ja, aber durch die Corona-Pause ist eine Lethargie entstanden und es hat einfach gedauert, bis man die Leute wieder aktiviert hatte.

Ich denke, die FIBO war wichtig und auch die positiven Pressestimmen werden helfen, die Menschen wieder für unsere Branche zu begeistern, da bin ich sehr zuversichtlich.

Wie präsentieren Sie Ihr Unternehmen als attraktive Arbeitgebermarke? Auf welchen Karrierenetzwerken bzw. Jobplattformen sind Sie aktuell aktiv? Welche Maßnahmen und Tools haben sich im Recruiting Ihres Unternehmens bewährt?

Wir bespielen mit unserem Recruiting viele Kanäle. Wir sind in allen möglichen Studierendenportalen vertreten und gehen z. B. auch an Schulen. Wir akquirieren sehr breit, um gute Mitarbeitende und dual Studierende für unser Team zu finden, weil wir uns jetzt nicht auf einen Kanal verlassen können.

Das war früher einfacher, das muss man sagen. Da gab es aufstiegsjobs.de und das reichte aus. Heute merkt man einen Run, weil alle auf aufstiegsjobs.de zugreifen.

Bei einem Unternehmen unserer Größe – unsere Franchisenehmer eingerechnet, sind wir bei rund 200 Mitarbeitenden – brauchen wir im Monat etwa zehn Einstellungen. Nicht alle Kandidaten halten bis zum Ende der Ausbildung durch, eine bestimmte Fluktuation hat man immer und gleichzeitig will man ein bisschen wachsen und neue Clubs planen.

Wir legen traditionell sehr großen Wert auf die Bindung unser Mitarbeitenden und das Teambuilding sowie auf Empfehlungen, das heißt unsere Mitarbeitenden empfehlen uns weiter. Im Zuge dessen haben wir Einarbeitungswochen, forcieren kulturelle Dinge wie die monatliche Businesslounge, zu der sich alle Mitarbeitenden treffen.


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Wir laden die Mitarbeitenden von allen Standorten nach Frankfurt ein, feiern gemeinsame Eventabende und gehen gemeinsam ins Training. Wir investieren sehr stark in das „Warum“, das Reinkommen, damit neue Teammitglieder sich schon während des Onboardings mit unserer DNA identifizieren.

Darüber hinaus helfen wir unseren Studierenden, z. B. indem wir intern Nachbereitungskurse für die Präsenzphasen organisieren. Es sind viele ehemalige Studierende bei uns, die ihre Folien aus dem Studium auflegen und an Beispielen zeigen, wie es bei uns läuft, um immer den konkreten praktischen Bezug herzustellen.

Wir wollen diejenigen haben, die nicht nur einfach ein Studium und einen Schein machen wollen, sondern die auch Interesse haben, dabei etwas zu lernen, etwas mitzunehmen. Denen geben wir eine echt gute Chance.

Was kann die Fitness- und Gesundheitsbranche insgesamt unternehmen, um sich angesichts des Fachkräftemangels noch besser aufzustellen?

Als Branche müssen wir unser Image weiter verbessern. Das beginnt damit, dass du als Fachkraft, als ausgebildeter Trainer in 90 Prozent deiner Arbeitszeit Trainings gibst und dein Know-how anwendest und nicht Shakes zubereitest, die Theke sauber machst oder das Lager einräumst.

In einer Unternehmensberatung oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft machst du als studierte Fachkraft auch nicht für alle Gäste Kaffee. Niemand hat etwas dagegen, wenn es mal vorkommt. Ich glaube, da müssen wir besser werden. Die Digitalisierung liefert uns gute Lösungen, flexibler zu werden und bestimmte Tätigkeiten und Prozesse ganz oder teilweise zu automatisieren.


Über den Interviewpartner

Henrik Gockel startete seine Tätigkeit in der Fitnessbranche bereits während des Studiums, bevor er zehn Jahre bei Paul & Partner als Unternehmensberater tätig war. Den „Seitenwechsel“ zum Studiobetreiber vollzog er als CEO der TC Training Center Gruppe, wurde dann Operations Director Europe und Managing Director bei Fitness First. Seit 2008 ist Henrik Gockel Dozent an der DHfPG.

2010 gründete er PRIME TIME fitness und beitreibt aktuell bundesweit 13 Trainingsclubs für Urban Perfomer in Frankfurt, Hamburg und München sowie einen in Ostermundingen in der Schweiz. Das Konzept von PRIME TIME fitness setzt auf Premiumtraining und Standorte in Bestlage.


Insgesamt sehe ich unsere Branche imagemäßig auf einem guten Weg. Der DSSV hat seinen Vorstand und Aufsichtsrat neu aufgestellt und mit Prof. Dr. Thomas Wessinghage einen renommierten Mediziner und ehemaligen Weltklassesportler an der Spitze, der inzwischen auch im Gesundheitsausschuss des Bundestages gehört wurde.

In den Medien nehme ich über Training, Krafttraining, Trainingsformen etc. eine Berichterstattung wahr, die seit Corona deutlich positiver geworden ist.

Auch in der Politik erarbeiten wir uns einen höheren Stellenwert. Auf der FIBO waren in diesem Jahr wieder Politiker mehrerer Parteien zu Gast und haben sich ein Bild gemacht; der renommierte Prof. Dr. Ingo Froböse ist Ambassador der FIBO – wir haben Fürsprecher, die auch gehört werden.

Fachkräftemangel auf der einen, Migration auf der anderen Seite – inwieweit ist ein Umdenken hinsichtlich einer langfristigen Personalplanung notwendig?

Welche Herausforderungen ergeben sich daraus für Betreiberinnen und Betreiber von Fitness- und Gesundheitsanlagen, z. B. im Umgang mit Fremdsprachen und dem Verständnis für kulturelle Vielfalt?

In Bezug auf Fremdsprachen und kulturelle Vielfalt müssen wir für unser Unternehmen nicht umdenken. Wir achten nicht auf die Herkunft, nicht auf die Hautfarbe, sondern einfach nur auf die Eignung. Aufgrund der Standorte unserer Clubs in zentraler Lage von Großstädten, ist es kein Problem, wenn man nicht fehlerfrei Deutsch spricht.

Bei unserem Publikum in den Städten ist es sogar gut, wenn du viele Sprachen im Team hast, weil unsere Kundinnen und Kunden aus aller Herren Ländern der Welt kommen.

Wir haben einen sehr hohen Anteil von Mitarbeitenden mit ausländischen Wurzeln in unserem Team. Uns ist wichtig, was die Menschen können, ob ihr Benehmen gut ist, ob sie eine empathische Art haben, ob sie über eine gewisse Dienstleistungsorientierung verfügen und ob sie Bock haben und wollen.

Wenn das alles stimmt, ist der Rest nicht kompliziert. Wir können es ihnen beibringen. Natürlich ist es von Vorteil, wenn die Leute Deutsch sprechen, vor allem für ein Studium. Fehlerfreies Deutsch ist aber kein absolutes Muss.

Welchen Stellenwert haben die Qualifikation Ihrer Mitarbeitenden und deren Weiterbildung in Ihrem Unternehmen? Haben Sie für Ihre Studios Prozesse etabliert, um das Know-how Ihrer Mitarbeitenden auf dem neuesten Stand zu halten? Wie haben Sie diese ausgestaltet?

Bedingt durch unser Konzept und unsere Trainingsphilosophie hat die Qualifikation einen sehr hohen Stellenwert. Premiumtraining braucht Coaching durch ein Team, das Antworten hat und Lösungen entwickeln kann. Wir schöpfen für unsere Mitabeitenden im Laufe ihrer Zugehörigkeit zu PRIME TIME fitness sowohl das komplette Angebot der BSA-Akademie als auch das der DHfPG aus.

Intern ist bisher die Weiterbildung im Trainingsbereich am weitesten etabliert. Alle unsere Mitarbeitenden, auch wenn sie Studierende sind, erwerben die B-Lizenz. Gleichzeitig geben wir interne Schulungen, die in drei Stufen in jeweils sieben Tagen gehalten werden.

Wir haben sehr viele Austauschsitzungen im Team, sehr viele interne Schulungen zu allem, was neu ist oder verändert wurde, und in jedem Club gibt es für die Trainer ein wöchentliches Teammeeting mit Fortbildungscharakter. Im Salesbereich werden wir besser und entwickeln interne Programme. Beim Member-Management und Finanzen sind unsere Mitarbeitenden mehr bei externen Fortbildungen.

Wenn wir auch die Teammeetings mit Fortbildungscharakter hinzuzählen, sind das, denke ich, im Durchschnitt neben der Uni für jeden Mitarbeitenden etwa 15 Arbeitstage im Jahr, die wir in Fort- und Weiterbildungen investieren. (Auch lesenswert: 'Auf dem Laufenden bleiben')

Inzwischen sind wir bekannt dafür, dass wir all unsere Mitarbeitenden auf die FIBO schicken, damit sie sich dort umschauen. Für den Aufstiegskongress werden wir wieder rund 40 Mitarbeitende anmelden. Bei diesen Branchenevents siehst du auch sofort, wer wirklich Interesse hat, gern mitgeht und es als Chance sieht.

Welche Tipps geben Sie jungen Menschen in der Fitness- und Gesundheitsbranche, die sich momentan fortbilden, eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren und ihre Karriere noch vor sich haben?

Junge Menschen sollen auch das Studium, die Ausbildung dazu nutzen, zu vergleichen und zu sehen, was andere so machen – andere Unternehmen sowie andere Studierende. Deswegen finde ich die Präsenzphasen im dualen Studium so wichtig, um im Vergleich zu sehen, wo ich gut bin und wo ich noch nicht so gut bin.


Weitere Interviews und Hintergründe

In weiteren Beiträgen und Interviews sprechen Prof. Dr. Axel PlünneckeOliver Walle und Mathias Schilling (Sport-Park) über Lösungsstrategien zum Fachkräftemangel. Lesen Sie außerdem unseren Artikel 'Fachkräftemangel' als Einstieg zu den Artikeln.

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Jeder hat seine Stärken, jeder hat seine Schwächen und mein absoluter Tipp wäre: Jeder und jede soll im Laufe der dreieinhalb Jahre Studium für sich herausfinden, worin er oder sie gut ist und was ihm oder ihr Spaß macht.

Entweder ich kann in meinem aktuellen Betrieb erreichen, dass ich in meiner Präferenz arbeite oder ich schaue mich in der Branche um, ob es Betriebe gibt, wo ich in meiner Präferenz arbeiten kann. Für mich gibt es kaum eine sinnvollere Branche als die Fitnessbranche, wenn man gern mit Menschen zusammenarbeitet und sie besser machen will.

Wie beurteilen Sie perspektivisch die Job-, Aufstiegs- und Karrierechancen innerhalb der Branche?

Top. Die Branche wird sich weiter professionalisieren. Das belegen die Eckdaten von DSSV, Deloitte und DHfPG ganz klar. Wir sind vom Gruppenumsatz in 13 Jahren von 0 auf 20 Millionen geklettert – und zwei Jahre davon war Corona. Da gibt es was zu verdienen und da gibt es was zu verteilen, wobei wir noch nicht mal das am stärksten wachsende Unternehmen sind, weil wir eben Premiumanbieter sind. (Lesen Sie mehr: 'Eckdaten ‘23 der deutschen Fitnesswirtschaft')

Martin Hasner hat 2012 als junger Student als Assistent Controller im Sales bei uns angefangen. Heute ist er Prokurist und kaufmännischer Leiter bei PRIME TIME fitness. Es gibt zuhauf Beispiele von Leuten, die richtig Karriere gemacht haben. Das wird nicht aufhören, das wird sich noch beschleunigen.

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