Sie ist Zoologin und Verhaltensforscherin, Ig-Nobelpreisträgerin und Kabarettistin - Dr. Elisabeth Oberzaucher. fMi sprach mit der Wiener Hochschullehrerin über die Wechselwirkung von Verhaltensforschung und Fitnessbranche.
Lesezeit: 3 Minuten

fM: Jeder Platz, so Ihre Überzeugung, ist perfekt für Verhaltensforschung. Was würden Sie in einem Fitnessstudio erforschen wollen?
Dr. Elisabeth Oberzaucher: Spannend an einem Fitnessstudio finde ich das Zusammentreffen vieler Motivationen. Die Motivation kann langfristig ausgerichtet sein, beispielsweise, ich möchte Muskeln aufbauen bzw. eine bessere Figur haben. Für Menschen und Tiere ist es schwierig, eine langfristige Motivation einzusetzen. Warum? Die Belohnung erfolgt erst sehr viel später. Zum Glück gibt es physiologische Mechanismen. Sie helfen, diese Langzeitziele nicht aus dem Blick zu verlieren, uns aber auch kurzfristig zu belohnen. Bei regelmäßigem Training reagiert der Körper mit der Ausschüttung von „Belohnungshormonen”.

fM: Ihre Abschlussarbeit haben Sie seinerzeit über die positiven Auswirkungen von Grünpflanzen auf die kognitive Leistungsfähigkeit geschrieben. Wie würden Sie Fitness- und Gesundheitsanlagen einrichten?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Das pflanzliche Grün trägt zu einer reduzierten Stressbelastung bei. Je weniger stressbelastet wir sind, desto mehr können wir auch leisten. Was mir in vielen Anlagen zu kurz kommt, ist diese Naturnähe. Ich würde massiv Naturelemente wie im Wasser stehende Pflanzen einbauen und Freiluftelemente ausweiten.

fM: Der Mensch war evolutionsgeschichtlich so erfolgreich, „weil er zwar nichts besonders gut kann, aber fast überall zurechtkommt“. Wie sehr kann ihm Fitness für sein Zurechtkommen in dieser Welt helfen?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Uns Menschen ist es mittlerweile gelungen, für viele körperlich anstrengende Tätigkeiten Maschinen einzusetzen. Viele von uns sind heute „Schreibtischtäter“. Die Folge sind die bekannten Zivilisationskrankheiten. Das ist auch der Grund, warum Bewegung in der Freizeit kultiviert wird. Für unsere Vorfahren war Bewegung Teil ihres Alltags. Auch haben sie nicht im Überfluss an energetischer Versorgung gelebt. Heutzutage gehen wir in den Supermarkt und kaufen uns mit einer Handbewegung mehr Kalorien, als wir in drei Tagen brauchen.

fM: Unsere Herkunft vom Homo sapiens beeinflusst uns bis heute. Wenn der Mensch klug, weise und vernünftig ist, warum fällt es vielen Menschen schwer, in ihre eigene Fitness und Gesundheit zu investieren?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Menschen kämpfen mit Motivationssystemen. Wenn es um Fitness geht, fällt gerade der Anfang schwer. Dinge, die anstrengend und in sich noch nicht belohnend sind, fallen zu Beginn nicht leicht. Was das Verhalten wirklich verändert, ist „Barrierefreiheit“, d. h. wenn der Anfang uns leicht gemacht wird. Die Laufstrecke, die gleich hinter meiner Wohnung beginnt, werde ich häufiger nutzen als die, zu der ich erst hinfahren muss.

fM: Wissenschaft ist ein „Knochenjob“. Je weiter man in der Karriere fortschreitet, desto größer werden die Projekte und desto seltener auch die Belohnungsinstrumente. Neugier, Spaß, aber auch Humor sind wichtig, um weniger Gefahr zu laufen „irgendwo festzufahren“. Wie viel Spaß ist wichtig für ein ambitioniertes Fitnesstraining?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Je mehr von diesen Faktoren wie Neugier, Spaß und Humor vorhanden sind und je mehr Überraschungen auftreten können, desto eher werde ich dabeibleiben.

fM: Sie sind Trägerin des von der Harvard-Universität verliehenen Ig (ignoble)-Nobelpreises für kuriose Forschung. Sie beschäftigten sich mit der Frage, ob der marokkanische Herrscher Moulay Ismael (1634-1727) tatsächlich innerhalb von 32 Jahren 888 Kinder zeugen konnte. Was war Ihr Ergebnis? Und: Wie muss es um seine Fitness bestellt gewesen sein?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Nach unseren Berechnungen hätte Moulay Ismael zweimal am Tag Sex gehabt haben müssen, um diese Anzahl Kinder zu zeugen. Dabei hätte der Harem gar nicht so groß sein müssen. Um die 70 Frauen wären ausreichend gewesen, um diesen Reproduktionserfolg zu erreichen. Die fitnessspezifischen Voraussetzungen für zwei Kopulationen pro Tag sind eher überschaubar. Mit entsprechender Konstitution kriegt das jeder hin.

fM: Sie empfehlen, die Evolution nicht als „ewige Ausrede“ zu sehen, sondern als Betriebsanleitung und Entscheidungshilfe. Warum sind heute allein in Deutschland mehr als 10,6 Millionen Menschen Mitglied in einer kommerziellen Fitness- und Freizeitanlage, Tendenz steigend?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Die Evolutionsbiologie hilft uns zu verstehen, wie wir Menschen ticken. Der Grund, warum so viele Menschen Mitglied in einem Fitnessstudio sind, liegt meines Erachtens im Miteinander. Wir sind umgeben von Gleichgesinnten, eingebunden in ein soziales Gefüge. In einer Gruppe etwas zu tun, ist erfreulicher und belohnender, als wenn ich es allein tun würde. Mitgliedschaften sind ein ganz wichtiger Motivationsfaktor.

fM: Evolutionsbiologisch überfordert uns Menschen die soziale Komplexität der Stadt. Wir entwickeln Strategien, uns im öffentlichen Raum abzuschotten. Ist das der Grund, warum viele Menschen auch im Fitnessstudio auf Kopfhörer und Smartphones setzen?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Das Smartphone ermöglicht uns, unsere eigene Musik auszusuchen, mit der Musikauswahl unseren eigenen Rhythmus zu bestimmen, der uns wiederum motiviert, im eigenen Takt Sport zu treiben. Hinzu kommt, dass viele Fitness- treibende ihr Smartphone auch dazu benutzen, ihren eigenen Trainingsfortschritt zu beobachten und zu dokumentieren.

fM: Eine letzte Frage: Wie halten Sie es mit Fitness und Gesundheit?
Dr. Elisabeth Oberzaucher:
Ich gehe viel zu Fuß, auch sehr flott. Ich komme locker auf meine sieben Kilometer pro Tag. Hinzu kommen verschiedene sportliche Aktivitäten an der frischen Luft.

DR. ELISABETH OBERZAUCHER
>
Zoologin und Verhaltensbiologin
> forscht und lehrt seit 2001 an der Fakultät für Lebenswissenschaften der Universität Wien

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