Medizinische EMS: Wirksam und schonend gegen das Volksleiden 'Rücken'

Medizinische EMS ist ein wirksames und gelenkschonendes Behandlungskonzept zur langfristigen Prävention und Therapie von nicht-spezifischen Rückenschmerzen.
Lesezeit: 3 Minuten
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Medizinische EMS gegen nicht-spezifischen Rückenschmerz
Medizinische EMS gegen nicht-spezifischen Rückenschmerz
Nicht-spezifischer Rückenschmerz ist die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und frühzeitige Berentung. Aktive Bewegung zur Prävention oder Behandlung muskulärer Dysbalancen oder einer insuffizienten Rumpfmuskulatur kommt für viele Betroffene nicht infrage, weil sie aufgrund ihrer Beschwerden Bewegung vermeiden und sich so in einen Teufelskreis begeben – es droht eine Chronifizierung. Medizinische EMS ist ein wirksames und gelenkschonendes Behandlungskonzept zur langfristigen Prävention und Therapie von nicht-spezifischen Rückenschmerzen.

Rückenschmerzen zählen zu den häufigsten Beschwerden in der Bevölkerung: So leiden rund drei Viertel aller Deutschen mindestens einmal im Leben unter Rückenschmerzen (BÄK, KBV & AWMF, 2017). Bei 70 bis 80 Prozent der Rückenschmerzen handelt es sich um Schmerzen im unteren Lendenwirbelbereich (lumbale Kreuzschmerzen, low back pain [LBP]) (Bork, 2017). Die Beschwerden betreffen mehr Frauen als Männer und vorwiegend Personen im mittleren Lebensalter zwischen dem 40. und 69. Lebensjahr (Bork, 2017).

Da Rückenschmerzen der häufigste Grund für eine Arbeitsunfähigkeit und nach psychischen Erkrankungen und Verhaltensstörungen die zweithäufigste Ursache für eine frühzeitige Berentung sind, sind auch die ökonomischen Auswirkungen beträchtlich.

Entsprechend ihrer Ursache werden Rückenschmerzen in spezifische und nicht-spezifische Rückenschmerzen eingeteilt. In 80 Prozent der Fälle liegen nicht-spezifische Rückenschmerzen vor, die es von Rückenschmerzen aufgrund einer spezifischen Ursache wie u. a. Bandscheibenvorfällen, Infektionen, Frakturen oder Tumoren mit einer gezielten Anamnese und einer körperlichen Untersuchung abzugrenzen gilt. Liegen weder eine neurologische Begleitsymptomatik noch extravertebragene Ursachen oder sogenannte „Red Flags“ (Warnsignale) vor, kann die Diagnose nicht-spezifischer Rückenschmerz gestellt werden (BÄK, KBV & AWMF, 2017).

Pathophysiologisches Duo: Insuffizienz der Rumpfmuskulatur und Kinesiophobie

Nicht-spezifischen Rückenschmerzen liegen meist muskuläre Dysbalancen wie Muskelverspannungen oder eine insuffiziente Rumpfmuskulatur (Chibuzor-Hüls, Casser & Geber, 2020) sowie degenerative Veränderungen der Facettengelenke der Wirbelsäule zugrunde.

Fehlbelastungen durch langes Sitzen in der gleichen Position, einseitige oder schwere körperliche Arbeit, aber auch psychische Belastungen wie Stress am Arbeitsplatz,finanzielle oder familiäre Sorgen, ausgeprägte Ängstlichkeit oder Selbstzweifel können die Entstehung nicht-spezifischer Rückenschmerzen fördern (IQWiG, 2022).

Die pathophysiologische Assoziation einer insuffizienten Rumpfmuskulatur mit nicht-spezifischen Rückenschmerzen führt zu einem Teufelskreis: Patient:innen mit lumbalen Beschwerden meiden Bewegung, durch die Minderbeanspruchung baut die rumpfstabilisierende Muskulatur ab, die Belastung der degenerativen Facettengelenke und die Beschwerden nehmen zu und führen zu einer verstärkten Vermeidung der Bewegung durch den:die Betroffene:n (Kinesiophobie) (Konrad et al., 2020).

Aus diesem Grunde empfiehlt die nationale und europäische Leitlinie aktive Bewegung und das Anhalten zur regelmäßigen körperlichen Betätigung als effektivste Maßnahme bei der Behandlung nicht-spezifischer Rückenschmerzen (BÄK, KBV & AWMF, 2017).


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Therapie: Herausforderung Chronifizierung

Nicht-spezifische Rückenschmerzen chronifizieren häufig: So berichten durchschnittlich zwei Drittel der Betroffenen (42–75 %) von persistierenden Beschwerden nach zwölf Monaten. Dementsprechend ist die Vermeidung der Chronifizierung erklärtes Therapieziel bei der Behandlung nicht-spezifischer Rückenschmerzen.

Als Risikofaktoren für eine Chronifizierung gelten sitzende Tätigkeiten, geringe körperliche Kondition, Stress, Rauchen und Übergewicht, aber auch psychosoziale, arbeitsplatzbezogene oder iatrogene Faktoren (BÄK, KBV & AWMF, 2017).

Die Behandlung des nicht-spezifischen Rückenschmerzes erfolgt symptomatisch und orientiert sich an Qualität und Stärke der Schmerzen, am Grad der Funktionseinschränkung sowie am zeitlichen Verlauf der Beschwerdenakuter (< 6 Wochen), subakuter (6–12 Wochen) und chronischer (> 12 Wochen) nicht-spezifischer Rückenschmerz.

Neben der Aufrechterhaltung der körperlichen Aktivität können initial begleitend analgetische, medikamentöse und nicht-medikamentöse Therapieoptionen wie Akupunktur, Entspannungsverfahren, Funktionstraining, manuelle Therapie, Wärmetherapie etc. angewendet werden. Auch die Evaluation und Adressierung etwaiger Risikofaktoren und die Wissensvermittlung eines gesundheitsbewussten Verhaltens spielen bei der Behandlung des nicht-spezifischen Rückenschmerzes eine wesentliche Rolle.

Sollten die Beschwerden persistieren oder sollte eine Chronifizierung drohen bzw. bereits bestehen, wäre es  laut den nationalen und europäischen Leitlinien essenziell, dass ein individuell auf den:die Patient:in maßgeschneidertes, multimodales Behandlungsprogramm, bestehend aus Physiotherapie, physikalischer Therapie, Psychotherapie, Beschäftigungstherapie und Edukation, ausgeführt wird (BÄK, KBV & AWMF, 2017). Dieses Programm, das sowohl im ambulanten als auch im stationären Setting durchgeführt werden kann, gilt derzeit als Goldstandard bei der Behandlung nicht-spezifischer Rückenschmerzen – allerdings ist es sehr zeitintensiv.

Eine zeiteffizientere, aber laut Studiendaten vergleichbar wirksame Methode zur Behandlung von nicht-spezifischen Rückenschmerzen ist die medizinische Elektromyostimulation (EMS). So zeigte eine prospektive, kontrollierte nicht-randomisierte klinische Studie im Vergleich zum Goldstandard des multimodalen Therapieansatzes eine gleichwertige Wirksamkeit bei der Behandlung nicht-spezifischer Rückenschmerzen für medizinische EMS – und das bei einem Zeitaufwand von 20 Minuten pro Woche (Konrad et al., 2020).

Prävention = Zeitaufwand?

Bewegung, insbesondere Kräftigungs- und Stabilisierungsübungen der Rumpfmuskulatur, beugt nicht-spezifischem Rückenschmerz vor. Hierbei ist ein regelmäßiges Training essenziell, um die Muskulatur dauerhaft zu stärken.

Bei konventionellen Trainingsmethoden ist es notwendig, mehrmals pro Woche zu trainieren. Dies ist nicht nur zeitlich aufwendiger, sondern insgesamt belastender für die Gelenke. Demgegenüber steht der Zeitaufwand bei Anwendung medizinischer EMS mit 20 Minuten pro Woche – bei in verschiedenen Studien belegter Wirksamkeit. Damit steht mit medizinischer EMS ein innovatives, wirksames, besonders gelenkschonendes und zeiteffizientes Behandlungskonzept zur langfristigen Prävention und Therapie von nicht-spezifischen Rückenschmerzen zur Verfügung.


Literaturliste

BÄK, KBV & AWMF. (2017). Nationale Versorgungsleitlinie: Nicht-spezifischer Kreuzschmerz (2. Aufl.). Zugriff am 31.03.2022.

Bork, H. (2017). Nicht spezifischer Rückenschmerz. Orthopädie und Unfallchirurgie up2date, 12 (06), 625–641.

Chibuzor-Huls, J., Casser, H.-R. & Geber, C. (2020). Wenn Rückenschmerzen chronisch werden. Schmerzmedizin, 36 (4), 40–48.

IQWiG Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (2022). Rücken- und Kreuzschmerzen. Zugriff am 31.03.2022.

Konrad, K. L., Baeyens, J-P., Birkenmaier, C., Ranker, A. H., Widmann, J., Leukert, J. et al. (2020). The effects of whole-body electromyostimulation (WB-EMS) in comparison to a multimodal treatment concept in patients with non-specific chronic back pain – a prospective clinical intervention study. PLoS ONE, 15 (8), 1–21.

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