„Mehr als die Vergangenheit interessiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben", so Albert Einstein. Verena Muntschick würde dieser Aussage sicher zustimmen.
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Als Researcherin, vor allem aber als Autorin ist die Anthropologin, Biologin und Germanistin für das Zukunftsinstitut, einem der wichtigsten Think-Tanks der Trend- und Zukunftsforschung, tätig und widmet sich innerhalb ihrer Profession vor allem dem Zukunftsthema Gesundheit. Das Team der fitness MANAGEMENT international begab sich mit ihr auf eine Zeitreise.

fMi: Der Begriff Gesundheit wurde früher vor allem mit der Abwesenheit von Krankheit definiert. Heute ist die Definition schon erheblich weitreichender. Wie wird Gesundheit heute gemeinhin definiert und wie in 50 Jahren?
Verena Muntschick: Längst bedeutet Gesundheit nicht mehr nur die Abwesenheit von Krankheit. Das ist eine sehr negative Definition des Begriffs Gesundheit. Die WHO hat Gesundheit mit dem Begriff des Wohlbefindens angereichert. D. h., die psychische Dimension ist jetzt ein essentieller Bestandteil. Die Psyche zählt mittlerweile genauso viel wie die anderen, meist messbaren, medizinischen Daten. Damit wird der Gesundheitsbegriff subjektiviert, da Wohlbefinden oder Zufriedenheit viel schwieriger zu messen ist. Diese Definition ist sicherlich noch nicht überall Konsens, aber das wird sich in den nächsten Jahren oder Jahrzenten durchsetzen. Schon heute gibt es für jede Person einen eigenen Gesundheitsbegriff, da sich für jedes Individuum das Gesundheitsgefühl auf andere Faktoren bezieht und auf anderen Faktoren beruht.  

fMi: Gesundheit ist einer der Megatrends, der die Lebens- und Arbeitswelt schon heute nachhaltig formt. Welche großen Health Trends werden unsere Zukunft beherrschen?
Verena Muntschick: Gesundheit ist der Mega-Trend und Achtsamkeit das Trendphänomen. Diese wird heute schon auf vielen Arten und Weisen bespielt, beispielsweise, wenn es um das Thema Meditation geht. Im Freizeitsport wird es in Zukunft nicht mehr nur darum gehen, Leistung zu bringen oder Ziele zu erreichen, sondern „Habe ich Spaß daran?“ oder „Welcher Sport macht mich zufrieden?“. Es wird eine Abkehr vom Leistungsparadigma geben.  

Bedeutet das, dass der Trend der Selbstvermessung mit Wearables wie Activity Trackern in Zukunft keine Rolle mehr spielen wird?
Verena Muntschick: Der Trend zur Selbstvermessung ist en vogue, hat seine Spitze aber schon erreicht. Die Selbstvermessung im Sport ist für viele am Ende doch sehr unbefriedigend, denn die Zahlen machen mich in den meisten Fällen nicht glücklicher.  

„Digitalisierung“, „Digitale Transformation“, „Digitales Leadership“, kein Tag ohne neue Beiträge, Kommentare, Konferenzen. Führt die voranschreitende Digitalisierung zu mehr oder zu weniger Bewegung?
Verena Muntschick: Das ist natürlich die Frage, ob man das voneinander abhängig machen kann. Natürlich haben wir durch die Digitalisierung viel mehr Sitzzeiten. Die Arbeit, die körperliche Anstrengung erfordert, geht zurück. Auf der anderen Seite spüren wir auch, dass die Menschen im Freizeitbereich aktiver werden, d. h. sie gehen mehr sportlichen oder sonstigen Bewegungsaktivitäten nach. Digitalisierung führt also nicht unweigerlich dazu, dass wir uns mehr oder weniger bewegen.  

Menschen, und somit auch Kunden, werden immer individueller. Wie werden sich Gesundheitsdienstleister in Zukunft aufstellen müssen, um die vielen unterschiedlichen Bedürfnisse auch befriedigen zu können?
Verena Muntschick: Man kann – Individuum hin, Individuum her – verschiedene und individuelle Interessen zusammenbringen. Ein prägendes Grundbedürfnis ist, dass Menschen zu jeder Zeit an jedem Ort die Möglichkeit haben möchten, beispielsweise Fitnessgeräte zur Verfügung zu haben oder Fußball zu spielen. Neben vielen weiteren Punkten ist diese Entwicklung vor allem für Fitness-Studio-Betreiber in Zukunft sehr interessant. Das bedeutet für das Fitness-Studio im Umkehrschluss: Wie schaffe ich es, Leute abzuholen, die nicht ort- oder zeitgebunden sind oder es auch einfach nicht sein wollen.  

Für die Entwicklung der Gesundheitskosten gibt es scheinbar nur eine Richtung: ansteigend. Gibt es Voraussagen Ihres Instituts, wie sich die Kosten für Gesundheit in Zukunft entwickeln werden? Welche Maßnahmen werden Staat und Gesellschaft ergreifen, um einer Steigerung der Ausgaben zu begegnen?
Verena Muntschick: Politische Entscheidungen kann man schwer voraussehen. Fakt ist jedoch, wenn man sich die Gesamtausgaben anschaut, dass der Anteil an privaten Gesundheitsausgaben in den letzten 20 Jahren gestiegen ist. Auch wird sich der Trend in Zukunft verstärken, dass mehr Eigenverantwortung von den Menschen erwartet wird und damit auch mehr Investitionen in private Gesundheitspflege.  

Die Europäische Adipositas Gesellschaft geht davon aus, dass 2030 mehr als die Hälfte der Bevölkerung Europas – und so auch in Deutschland – adipös sein wird. Wird der durchschnittliche Deutsche 2050 gesünder sein/gesünder leben als der heutige?
Verena Muntschick: Grundsätzlich gehe ich davon aus, dass der Deutsche 2050 gesünder leben und gesünder sein wird als heute. Die angesprochene Studie trifft Voraussagen auf Grundlage linearer Betrachtungsweisen, d. h. die aktuelle Zunahme ist linear in die Zukunft verlängert worden. Es spielen jedoch noch wesentlich mehr Faktoren eine Rolle. Heute herrscht ein viel größeres Bewusstsein für Gesundheit und Bewegung in der Bevölkerung. Dieser Kurs wird sich in Zukunft fortsetzen. Dennoch besteht noch eine gewisse Distanz zwischen Wissen und Handeln. Ein zweiter Aspekt, der die Gesundheit in Zukunft positiv beeinflussen wird, ist die Nahrungsmittelindustrie. Diese steht unter Druck, in Zukunft weiter gesündere Produkte anzubieten. Daher wird das durchschnittliche Nahrungsangebot in Zukunft gesünder werden, als es das heutige ist.

Verena Muntschick
 • Germanistin, Anthropologin und Biologin
 • seit 2014 Projektmanagerin, Researcherin und Autorin für das Zukunftsinstit

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