Ein wesentliches Instrument zum Erhalt der Leistungsfähigkeit

Die Work-Life-Balance – ist es lediglich eine Modeerscheinung? Oder ein ernst zu nehmendes Thema? Mit diesen Fragen befasst sich Gesundheitswissenschaftlerin Sarah Staut.
Lesezeit: 5 Minuten
Von vielen Arbeitnehmern gewünscht, von nicht allen Unternehmen gefördert: Work-Life-Balance. Für die einen scheint es lediglich eine Modeerscheinung zu sein, für die anderen ein ernst zu nehmendes Thema. Doch was bedeutet Work-Life-Balance? Während sich die 'Work'-Komponente auf die Erwerbsarbeit bezieht, steht 'Life' im Zusammenhang mit privaten Lebensbereichen wie Familie, Freundschaften oder Gesundheitsverhalten.

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ, 2005) definiert Work-Life-Balance als eine „neue, intelligente Verzahnung von Arbeits- und Privatleben vor dem Hintergrund einer veränderten und sich dynamisch verändernden Arbeits- und Lebenswelt“. Zusammengefasst versteht man unter Work-Life-Balance sowohl die ausgewogene Balance von Beruf und Privatleben als auch die Möglichkeit der Vereinbarung beider Komponenten.

Doch warum hat Work-Life-Balance einen solch hohen Stellenwert? Laut Haunschild (2013) zählen
• die Zunahme der Anzahl erwerbstätiger Frauen,
• eine (wahrgenommene) Zunahme von Pflichten und Verantwortlichkeiten in den Domänen außerhalb der Erwerbsarbeit (z. B. Pflege von Angehörigen),
• die Intensivierung von Erwerbsarbeit sowie
• eine veränderte Einstellung zur Bedeutung von Erwerbsarbeit

zu einigen, miteinander zusammenhängenden Entwicklungen, die als Erklärungsansatz für das Aufkommen von Work-Life-Balance als breit diskutiertes Thema infrage kommen.

Eine fehlende Work-Life-Balance kann gravierende Folgen wie Schlafstörungen, Angstgefühle, Abnahme der mentalen Leistungsfähigkeit sowie der Arbeitsmotivation und damit einhergehend ein Rückgang der Arbeitsleistung bis hin zur Erschöpfung nach sich ziehen (INQA, 2012). Dass davon sowohl der Unternehmenserfolg als auch die Gesundheit der Mitarbeiter abhängen, liegt auf der Hand. Diese Tatsachen untermauern die Dringlichkeit, in die Work-Life-Balance und somit auch in die psychische Gesundheit der Mitarbeiter zu investieren.

Anstatt sich aktiv mit der Work-Life-Balance auseinanderzusetzen, erkennt dennoch nicht jedes Unternehmen die Notwendigkeit, die Work-Life-Balance in ausreichendem Umfang zu fördern. Einer Studie zufolge sind 38 Prozent der 1.100 Befragten der Meinung, dass ihrem Arbeitgeber eine ausgewogene Work-Life-Balance seiner Mitarbeiter egal ist. Demgegenüber wählen 47 Prozent der Befragten, wenn sie sich zwischen zwei vergleichbaren Jobangeboten entscheiden müssen, das Unternehmen mit Work-Life-Balance-Kultur (Community Life, 2016). Darüber hinaus sind Stress sowie psychische Belastungen immer noch ein Tabuthema (INQA, 2012). Daher wundert es nicht, dass sich mehr Mitarbeiter wünschen, ihr Unternehmen würde sich bei dem wichtigen Thema Work-Life-Balance flexibler und anpassungsfähiger zeigen.

Wirkung von Work-Life-Balance-Maßnahmen

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, 2016b) konnte anhand empirischer Befunde Zusammenhänge zwischen Work-Life-Balance und psychischer Gesundheit, aber auch von Arbeitsbedingungen und Work-Life-Balance prüfen. Demzufolge hängt eine stärkere gegenseitige Bereicherung von Arbeit und Privatleben mit besserer psychischer Gesundheit zusammen.

Eine weitere Studie belegt, dass sich Einflussmöglichkeiten von Beschäftigten auf die Arbeitszeitgestaltung sowie Planbarkeit und Vorhersehbarkeit der Arbeitszeit positiv auf die Gesundheit und Work-Life-Balance auswirken. Somit erweist sich die konkrete Ausgestaltung der flexiblen Arbeitszeiten im Zusammenspiel zwischen betrieblichen Anforderungen einerseits und Belangen der Beschäftigten andererseits als eine der zentralen Stellschrauben für flexible und gesunde Arbeitszeitgestaltung (BAuA, 2016a). Zudem können zum Beispiel auch Fitnessunternehmen, die ihren Mitarbeitern Work-Life-Balance-Angebote unterbreiten, von Mitarbeitermotivation sowie -bindung profitieren.

Sowohl Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung als auch Maßnahmen der Arbeitsplatzgestaltung können innerhalb und auch außerhalb des Unternehmens positive Auswirkungen haben (Prognos, 2005).

Tab. 1: Unternehmensinterne und -externe Effekte von Maßnahmen zur Betrieblichen Gesundheitsförderung

Der Weg zur Work-Life-Balance in Unternehmen

Wer eine ausgeglichene Balance zwischen Beruf und Freizeit herstellen will, muss seine Zeit sinnvoll nutzen. Hierbei können Unternehmen ihre Mitarbeiter unterstützen, indem sie Freiräume schaffen und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung anbieten. Es gibt viele Maßnahmen, mit denen Unternehmen eine ausgeglichene Work-Life-Balance fördern können, wesentlich ist jedoch ein gutes individuelles Ressourcenmanagement. Dies bedeutet sowohl für Unternehmen als auch für die Mitarbeiter selbst, dass persönliche, physische und psychische Ressourcen aufgebaut und gestärkt werden müssen.

Die Bandbreite an Work-Life-Balance-Instrumenten ist enorm. Im Überblick lassen sie sich in drei Gruppen gliedern (BMFSFJ, 2005):
• Maßnahmen zur intelligenten Verteilung der Arbeitszeit im Lebenslauf und zu einer ergebnisorientierten Leistungserbringung
• Maßnahmen zur Flexibilisierung von Zeit und Ort der Leistungserbringung
• Maßnahmen, die auf Mitarbeiterbindung durch individuelle Laufbahnplanung, Förderung der Qualifikation und eine umfassende Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit bei sich wandelnden Tätigkeitsanforderungen zielen

Von Unternehmen angebotene Work-Life-Balance-Maßnahmen zielen darauf ab, „erfolgreiche Berufsbiografien unter Rücksichtnahme auf private, soziale, kulturelle und gesundheitliche Erfordernisse zu ermöglichen. Ein ganz zentraler Aspekt in dieser grundsätzlichen Perspektive ist die Balance von Familie und Beruf“ (BMFSFJ, 2005, S. 4). Umfassende, integrierte Work-Life-Balance-Konzepte (vgl. Abb. 1) beinhalten hierbei bedarfsspezifisch ausgestaltete Arbeitszeitmodelle, eine angepasste Arbeitsorganisation, Modelle zur Flexibilisierung des Arbeitsortes, Führungsrichtlinien sowie weitere unterstützende und gesundheitspräventive Leistungen für die Beschäftigten (BMFSFJ, 2005, S. 4).

Abb. 1: Exemplarische Maßnahmen zur Förderung der Work-Life-Balance (eigene Darstellung)

Bevor jedoch unreflektiert und wahllos Maßnahmen eingeführt werden, sollte vorab der Bedarf der Belegschaft an solchen Maßnahmen ermittelt werden. Hierbei empfehlen sich beispielsweise anonyme Mitarbeiterbefragungen, Gesundheitszirkel oder Interviews.

Im Rahmen einer gesundheitsförderlichen Unternehmenskultur spielt Kommunikation eine erhebliche Rolle. Die Belegschaft muss flächendeckend über das Angebot und den Nutzen der Angebote informiert werden. Demnach müssen auch Führungskräfte aller Ebenen eines Unternehmens Work-Life-Balance-Maßnahmen positiv gegenüberstehen und diese unterstützen.

Während beispielsweise flexible Arbeitszeiten gerade für Bürotätigkeiten tauglich sind, so muss in anderen Berufsfeldern, zum Beispiel bei Pflegeberufen oder Industriearbeitsplätzen, oftmals eher auf andere Work-Life-Balance-Maßnahmen ausgewichen werden. Demnach muss zum Beispiel auch jedes Fitnessunternehmen für sich prüfen, welche Work-Life-Balance-Maßnahmen zu welchen Tätigkeiten passen. Dennoch sollte ein flächendeckendes Angebot für Mitarbeiter aller Tätigkeitsbereiche innerhalb eines Unternehmens ermöglicht werden, um Spannungsfelder zu vermeiden.

Work-Life-Balance als Baustein eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements

Dadurch, dass Bewerber der Generationen Y und Z bereits zum Berufseintritt Forderungen nach Work-Life-Balance und Gesundheitsmaßnahmen erheben, muss sich das Personalmanagement neuen Aufgaben stellen. Neben der klassischen Personalarbeit übernehmen Personalmanager oftmals auch die Aufgaben von Betrieblichen Gesundheitsmanagern, die für entsprechende Rahmenbedingungen und Maßnahmen sorgen müssen. Die Implementierung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) ist zur Steigerung der Arbeitgeberattraktivität nahezu unumgänglich. In Bezug auf Work-Life-Balance wird dem BGM eine zentrale Bedeutung beigemessen, gerade was die Planung, Umsetzung sowie Kontrolle solcher Maßnahmen betrifft. Im Rahmen des BGM können mithilfe von Analysen adäquate, an das Unternehmen angepasste Work-Life-Balance-Angebote abgeleitet werden, die im Sinne der Nachhaltigkeit dauerhaft implementiert sowie in regelmäßigen Abständen evaluiert und auf Erfolg kontrolliert werden sollten.

Tab. 2: Maßnahmen zur Förderung der Work-Life-Balance in Abhängigkeit von Tätigkeit und Schichtbetrieb

Fazit

Gerade im Zuge einer sich verändernden Arbeitswelt nimmt die Work-Life-Balance einen nicht zu unterschätzenden Stellenwert ein. Während Unternehmen das Fundament legen können, indem neben Maßnahmen zur Arbeitsgestaltung und -organisation auch Maßnahmen zur Gesundheitsförderung angeboten werden, müssen Arbeitnehmer den Umgang mit Zeit erlernen, um eine ausbalancierte Trennung zwischen der Arbeitswelt und dem Privatleben voranzutreiben. Dafür ist es erforderlich, Work-Life-Balance-Konzepte in der Personalstrategie sowie in der Unternehmenskultur zu verankern und dass die Förderung der Work-Life-Balance als Führungsaufgabe wahrgenommen wird. Inwieweit Work-Life-Balance gefördert und gestaltet wird, hängt folglich von der Akzeptanz sowie der Kreativität der Unternehmen auch in der Fitnessbranche ab.

Sarah Staut

Die Gesundheitswissenschaftlerin arbeitet als pädagogische Mitarbeiterin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement sowie der BSA-Akademie im Fachbereich Gesundheitsförderung/BGM. Praktische Erfahrungen sammelte sie bereits in namhaften Unternehmen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement sowie bei der Planung und Umsetzung betrieblicher Gesundheitsprogramme.

Auszug aus der Literaturliste

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, 2016a). Arbeitszeitreport Deutschland 2016. Zugriff am 20.05.2019. Verfügbar unter https://www.presseportal.de/pm/103969/3451467
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, 2016b). Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt. Work-Life-Balance. Dortmund/Berlin/Dresden: BAuA.
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2005). Work-Life-Balance. Motor für wirtschaftliches Wachstum und gesellschaftliche Stabilität. Analyse der volkswirtschaftlichen Effekte – Zusammenfassung der Ergebnisse. Berlin: BMFSFJ.
Community Life (2016). Strategien für eine gute Work-Life-Balance. Zugriff am 20.05.2019. Verfügbar unter https://www.communitylife.de/blog/gesund-und-sicher/work-life-balance

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

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