Fitness, Management | Autor/in: Alisha Dittmer |

„Bayern war wie der Heilige Gral“ – Interview mit den Rechtsanwältinnen Gianna Chiappa und Viola Hauser

Bayerische EMS-Studios dürfen wieder öffnen. Die Nachricht über diesen Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in München war ein Funken Hoffnung für die Studios in Deutschland, die bisher noch keine Information zur Wiederöffnung erhalten haben. Die Rechtsanwältinnen Gianna Chiappa und Viola Hauser haben mit ihrer Kanzlei diesen Beschluss erwirkt. Im Interview mit fitness MANAGEMENT beantworten sie wichtige Fragen dazu und geben einen Ausblick für Studios in anderen Bundesländern.

Interview mit den Rechtsanwältinnen Gianna Chiappa und Viola Hauser zum Beschluss des VHG München

Wann darf ich mein Studio wieder öffnen? Und vor allem unter welchen Bedingungen? Diese Fragen bewegen die ganze Fitnessbranche. Mittlerweile liegt diese Entscheidung bei den Regierungen der jeweiligen Bundesländer. (Lesen Sie auch: Lockerung nun Ländersache)

In Bayern konnten Fitnessstudios bisher erst für Juni mit einer Wiedereröffnung rechnen. Ein Beschluss des Verwaltungsgerichts München hat nun einen ganz anderen 'Stein ins rollen' gebracht.


 


Laut Angaben des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ist der Betrieb von EMS-Anlagen in „Form von Personal Trainings“ (1:1-Training oder 1:2-Training bei Personen aus dem gleichen Haushalt) in „kontaktfreier Durchführung ohne Verwendung von Sporthilfsmitteln (z.B. Hanteln, Gewichte etc.)“ unter Einhaltung der Auflagenzulässig.

Den Beschluss vor dem VGH München erwirkt haben die Rechtsanwältinnen Gianna Chiappa und Viola Hauser mit ihrer Kanzlei chiappa & hauser Rechtsanwältinnen. Wir haben mit ihnen gesprochen.

fM: Warum dürfen EMS-Studios in Bayern wiedereröffnen und herkömmliche Fitnessstudios nicht?

Gianna Chiappa und Viola Hauser: Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München gewährt unseren Mandanten die Wiedereröffnung ihrer EMS-Studios in Bayern unter Einhaltung von strengen Hygieneanforderungen.

Bei herkömmlichen Fitnessstudios wird seitens des Verordnungsgebers angenommen, dass hier diese Hygieneanforderungen nicht gleichermaßen eingehalten werden können. Dies vor allem aufgrund des Umstandes, dass in einem Fitnessstudio Geräte durch eine unbestimmte Anzahl von Menschen genutzt werden und es zu einem unkontrollierten Publikumsverkehr kommt. Es wird daher angenommen, dass hier ein erhöhtes Risiko einer Infizierung mit dem Corona-Virus besteht.

Uns liegt mittlerweile aber auch ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vor, in welchem dem Betreiber eines Fitnessstudios die Wiedereröffnung unter Vorlage eines Hygienekonzepts im Eilverfahren gestattet wurde. Wir werden daher auch für unsere Mandanten, die ein herkömmliches Fitnessstudio betreiben, auf eine Wiedereröffnung hinwirken. In manchen Bundesändern dürfen Fitnessstudios ohnehin bereits öffnen oder dürfen es in absehbarer Zeit.


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fM: Was muss bei der Eröffnung eines EMS-Studios beachtet werden? Wird z. B. eine Son-dergenehmigung o.ä. benötigt?

Gianna Chiappa und Viola Hauser: Eine Sondergenehmigung wird nicht benötigt. Das Gericht hat in der Entscheidung über unseren Antrag festgestellt, dass die Bayerische 'Coronaverordnung', in welcher normiert ist, dass Fitnessstudios und ähnliche Einrichtungen zu schließen sind, dem Betrieb des EMS-Mikrostudios nicht entgegensteht.

Im Ergebnis hat das Gericht damit erkannt, dass das Einzeltraining im EMS-Mikrostudio nicht mit einem herkömmlichen Fitnessstudio zu vergleichen ist. Hier lag ein Hauptaugenmerk unserer Argumentation im Eilverfahren, denn es bestehen hier tatsächlich gewichtige Unterschiede. Insbesondere bucht der Kunde in einem EMS-Studio tatsächlich eine Dienstleistung und es wird mit ihm ein Personaltraining/Einzeltraining durchgeführt. Es werden dem Kunden insbesondere keine Geräte zur eigenen freien Nutzung zur Verfügung gestellt, sondern es wird in dem jeweiligen Training auf die Belange des Kunden im Einzelfall Rücksicht genommen und eine personalisierte EMS-Anwendung geboten.

Weiteres maßgebliches Kriterium ist, dass die Einzeltrainings in einem EMS-Studio ausschließlich nach einer vorherigen Terminvereinbarung stattfinden, denn ein Publikumsverkehr ist aufgrund der erhöhten Ansteckungsgefahr zu vermeiden. Es befinden sich ein bis maximal zwei Kunden in den Räumen des EMS-Mikrostudios, sodass das gesteigerte Infektionsrisiko, welches die Eröffnung einer Einrichtung für den Publikumsverkehr mit sich bringt, nicht besteht.

Der Beschluss normiert Anforderungen, die erfüllt sein müssen, um ein EMS-Studio wieder zu eröffnen. Wir konnten für unsere Mandanten darlegen, dass diese die normierten Hygiene- und Abstandsvorschriften einhalten können und ein Eingriff in deren Grundrechte daher nicht gerechtfertigt ist.

fM: Welche Hygienemaßnahmen müssen eingehalten werden?

Gianna Chiappa und Viola Hauser: Insbesondere fordert das Gericht, dass ausschließlich ein 1:1 Training bzw. ein 1:2 Training mit Personen desselben Hausstandes stattfinden darf. Zudem ist ein Mindestabstand von zwei Metern zwischen dem Kunden und dem Trainer während des Trainings einzuhalten. Auch haben die Trainer eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen.

Wir geben unseren Mandanten hierbei ein Hygienekonzept sowie genaue Anweisungen an die Hand, welche bei der Wiedereröffnung der EMS-Studios zu beachten sind. Sofern es im Nachgang zu Kontrollen durch das Ordnungsamt oder die Polizei kommt, stehen wir ebenfalls als Ansprechpartner zur Verfügung, um die Wiedereröffnung im Nachgang nicht zu gefährden.

Gerade im Hinblick auf die Bilder aus Nordrhein-Westfalen, welche kürzlich in den sozialen Medien zu sehen waren, in denen sich Hunderte von Menschen vor einem geöffneten Fitnessstudio versammelten ohne irgendwelche Hygieneanforderungen und Abstände einzuhalten, richten wir hierauf ein erhöhtes Augenmerk.



fM: Was bedeutet das Urteil des VGH München für EMS-Studios in anderen Bundesländern? Kann das Urteil auch Einfluss auf die Fitnessstudios in anderen Bundesländern haben, die noch geschlossen sind?

Gianna Chiappa und Viola Hauser: Mit dem vorliegenden Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München erlaubte dieses unseren Mandanten die Wiedereröffnung ihrer EMS Studios unter den von uns dargelegten Voraussetzungen unter Einhaltung der Hygienestandards. Es handelt sich um eine Entscheidung im Eilverfahren. Wir haben diesen auf unserer Webseite veröffentlicht.

Die Bundesländer berufen sich immer wieder auf den in Deutschland geltenden Föderalismus wonach – zumindest für gewisse Rechtsbereiche – jedem Bundesland eine eigene Regelungskompetenz zukommt. Dies ist auch der Grund dafür, dass es in jedem Bundesland eine eigene sog. 'Corona-Verordnung' gibt, deren Inhalt sich teilweise massiv unterscheidet.

Beispielsweise in Bayern galt bis zum 06. Mai 2020 noch eine Ausgangsbeschränkung wohingegen in den allermeisten anderen Bundesländern lediglich eine Kontaktbeschränkung bestand und besteht. Die Menschen mussten in Bayern einen triftigen Grund glaubhaft machen können, um die eigene Wohnung verlassen zu dürfen. Insofern stellt der von uns erwirkte Beschluss eine ganz besondere Errungenschaft dar, denn in Bayern galten bzw. gelten in ganz Deutschland wohl die strengsten Beschränkungen.

Der Beschluss gilt also nicht unmittelbar auch direkt für die anderen Bundesländer. Die Wertung des Beschlusses ist aber für alle Bundesländer beachtlich. Denn die Rechtsverordnungen der Bundesländer basieren alle auf dem Infektionsschutzgesetz (IfSG). Bei diesem handelt es sich um ein Bundesgesetz, sodass dieses unabhängig von den Regelungen der einzelnen Bundesländer bundesweit gilt. Auch gelten das Grundgesetz und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz deutschlandweit. Dies haben die Gerichte und auch Behörden daher im gesamten Bundesgebiet zu berücksichtigen.

In anderen Bundesländern wie beispielsweise Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Bremen konnten wir ebenfalls die Wiedereröffnung der EMS-Studios unserer Mandanten erwirken. In anderen Bundesländern wie Hessen, Baden-Württemberg und Niedersachsen befinden wir uns noch in laufenden Eilverfahren; entsprechende Entscheidungen stehen aus.

Wir bieten in unserer Kanzlei eine kurze kostenlose telefonische Ersteinschätzung an, sodass sich jeder an uns wenden kann. Wir besprechen dann, was im eigenen konkreten Einzelfall das sinnvollste und erfolgversprechendste Vorgehen ist. Im Rahmen unserer besonderen Expertise im Bereich des EMS-Personaltrainings betreuen und vertreten wir ohnehin bundesweit EMS-Mikrostudiobetreiber. Es war und ist uns daher ein besonderes Anliegen, diesen die Wiedereröffnung ihrer Studios zu ermöglichen.

fM: Vielen Dank für das Interview!

Interviewpartnerinnen Gianna Chiappa und Viola Hauser

Gianna Chiappa und Viola Hauser absolvierten beide ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz und ihr Referendariat im Landesgerichtsbezirk des Oberlandesgerichts Koblenz. Zusammen leiten sie die Kanzlei chiappa & hauser Rechtsanwältinnen.


Lesen Sie zu Urteilen der aktuellen Rechtssprechung auch: EMS-Lounge: Klage erfolgreich und Bodystreet klagt vor Bayerischen Verfassungsgericht.

Welche Entscheidungen die einzelnen Bundesländer in Sachen Studioöffnung getroffen haben (und noch treffen werden), haben wir in einer alphabetischen Auflistung und einer chronologischen Übersicht für Sie zusammengefasst.