Bundes-'Notbremse' droht positive Akzente des 'Saarland-Modells' in der Pandemiebekämpfung zu nivellieren

Neue wissenschaftliche Daten zum 'Saarland-Modell': Warum die bundesweite 'Notbremse' das Erfolgsmodell aufs 'Abstellgleis' bringt und falsche Signale setzt.
Lesezeit: 6 Minuten
DHfPG-Studien-Update Woche 3 'Saarland-Modell'
DHfPG-Studien-Update Woche 3 'Saarland-Modell'
Die DHfPG hat ihre erweiterte Umfrage zum 'Saarland-Modell' ausgewertet: Vor dem Hintergrund des großen Nutzens regelmäßigen Trainings für die Gesundheit gerade in Zeiten der Pandemie sind die getroffenen Entscheidungen in Deutschland zur 'Notbremse' scharf zu kritisieren. Nachvollziehbar ist, dass Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie getroffen werden müssen. Inwieweit die Schließung der Fitness- und Gesundheitsanlagen im Saarland diesem Ziel aber zuträglich ist, ist äußerst fraglich.

Bereits in den ersten Wochen des Saarland-Modellversuchs zeigten sich positive Wirkungen auf körperliche und mentale Gesundheit der Trainierenden (erste Studienergebnissen des 'Saarland-Modells' finden Sie hier). Hinzu kommt die stark gestiegene Bereitschaft zu regelmäßigen Corona-Schnelltests.

Alles wichtige Bausteine in der Pandemiebekämpfung, die mit der erneuten Schließung ihre Wirkung verlieren.


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DHfPG & DSSV begleitet 'Saarland-Modell' wissenschaftlich

Die Deutsche Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) hat gemeinsam mit dem DSSV das 'Saarland-Modell' auch in Woche 3 wissenschaftlich begleitet.

Befragt wurden hierzu 387 Trainierende im Alter von 19 bis 74 Jahren (M = 38,74, SD = 10,240) im Zeitraum vom 20. bis einschließlich 22. April 2021.


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Vor dem Hintergrund der positiven Ergebnisse mit Blick auf körperliche und mentale Gesundheit, auf funktionierende Hygienekonzepte und auf eine erhöhte Bereitschaft zu regelmäßigen Tests ist die Bedeutung des 'Saarland-Modells' im Fitnessbereich für die Pandemiebekämpfung weiter stark hervorzuheben und die Forderung zu formulieren, den Gesundheitsnutzen von Fitnesstraining in den Anlagen in die Bekämpfung der Pandemie zu integrieren.

Öffnung beeinflusst Trainingshäufigkeit stark positiv

Befragt man die Probanden im Saarland, wie häufig sie während des Lockdowns trainierten, zeigt sich ein noch drastischeres Bild als bei der deutschlandweiten Befragung der DHfPG (n = 1.143) im Januar/Februar 2021.

Diese auf Gesamtdeutschland bezogenen Ergebnisse zeigten, dass im Lockdown (Nov. 2020 bis einschließlich Februar 2021) 47,3% der Deutschen maximal einmal pro Woche oder seltener trainierten.


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Betrachtet man nur die Trainierenden im Saarland (n = 366), ist dieser Wert noch höher: Hier geben aktuell 55,5 % an, im Lockdown maximal einmal pro Woche oder deutlich seltener trainiert zu haben – mit Blick auf die Gesundheitsrelevanz regelmäßige Trainings ein erschreckender Wert!

Hingegen zeigt sich, dass die Öffnung der Anlagen im Saarland sich positiv auf die Trainingshäufigkeit auswirkt. Insgesamt betrachtet trainieren 91,9% der Saarländerinnen und Saarländer aktuell (in den Anlagen plus außerhalb) 2-3 mal die Woche oder noch häufiger.



Die Trainierenden im Saarland sind äußerst froh, wieder in den Fitness- und Gesundheitsanlagen trainieren zu dürfen (M = 4,42, SD = 0,813, Skala von 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 5 = stimme vollkommen zu).

Die Trainingseuphorie ist also auch in Woche 3 der Öffnung der Fitness- und Gesundheitsanlagen ungebrochen, was für die Umsetzung der Maßnahmen im Modell spricht.

Dies zeigt sich auch darin, dass die Aussage „Ich würde es bevorzugen, dass die Anlagen erst dann wieder öffnen, wenn man ohne Test trainieren darf“ keine nennenswerte Zustimmung erfährt (M = 1,54, SD = 1,036, Skala von 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 5 = stimme vollkommen zu).

Hohe Trainingseuphorie trotz Testpflicht

Hohe Testbereitschaft der Trainierenden

Die Trainierenden akzeptieren die Testpflicht und fühlen sich hierdurch sogar sicher, da alle Anwesenden ebenfalls negativ getestet sind (M = 4,52, SD = 0,940, Skala von 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 5 = stimme vollkommen zu).

Auch durch diese hohe Akzeptanz der freiwilligen Selbsttestung trägt das Saarland-Modell zur Pandemiebekämpfung bei, da so Infektionen frühzeitig erkannt und Infektionsketten durchbrochen werden können.

Es ist davon auszugehen, dass sich mit der Rücknahme der Maßnahmen durch die 'Bundes-Notbremse' die Inanspruchnahme der Testpflicht verringert, was dem Ziel, Infektionen frühzeitig zu erkennen, keinesfalls zuträglich ist.

Anhaltend hohes Sicherheitsgefühl in den Anlagen

Die Trainierenden fühlen sich in den Anlagen auch insgesamt äußert sicher (M = 4,62, SD = 0,803, Skala von 1 = überhaupt nicht sicher bis 5 = sehr sicher). Dass dieses Sicherheitsgefühl im Verlauf der Öffnung der Anlagen im Saarland Bestand auf einem hohen Niveau hat (Woche 1: M = 4,37, SD = 1,123), untermauern die funktionierenden Hygienekonzepte in den Anlagen.

Dem stimmen auch die Trainierenden zu: Sie bewerten das Hygienekonzept ihrer Anlage, in der sie trainieren, als sehr ausgereift (M = 4,71, SD = 0,706, Skala von 1 = überhaupt nicht ausgereift bis 5 = sehr ausgereift).

Das Risiko einer COVID-Infektion hingegen wird auch weiterhin als sehr gering empfunden (M = 1,48, SD = 0,813, Skala von 1 = sehr gering bis 5 = sehr hoch).

Sicheres Training in den Anlagen

Wohlbefinden: Positive Effekte seit dem Restart

Die Trainierenden im Saarland fühlen sich bereits nach erst kurzer Zeit der Öffnung der Anlagen signifikant besser als während des Lockdowns (Maktuell = 3,77, SD = 0,989, MLockdown = 2,08, SD = 1,170, p < 0,001; Skala zum körperlichen Befinden von 1 = sehr schlecht bis 5 = sehr gut).

Wohlbefinden gut: Training hilft

87,7 % der Befragten haben trotz der hohen Corona-Zahlen aufgrund der gut funktionierenden Hygienekonzepte kein ungutes Gefühl beim Training in den Anlagen.

Vielmehr spüren 94,8 % der befragten Saarländerinnen und Saarländer deutlich, wie gut ihnen das Training tut. 4,9% spüren keinen Unterschied in ihrem Befinden im Vergleich zum Lockdown.

Positiver Einfluss auf die mentale Gesundheit

Auch die positiven mentalen Auswirkungen des Trainings müssten im Sinne einer erfolgreichen Pandemiebekämpfung weitaus stärker berücksichtigt werden.

Während der Lockdown nachweislich stark negative Wirkungen auf die mentale Gesundheit der Menschen hat, hat regelmäßiges Training in Fitness- und Gesundheitsanlagen einen deutlich positiven Effekt.

Die Trainierenden sind glücklich, wieder trainieren zu können (M = 4,77, SD = 0,618). Sie fühlen sich durch die Möglichkeit des Trainings in ihren Anlagen mental stark entlastet (M = 4,74, SD = 0,690).

Auch berichten sie, sich bereits nach dieser kurzen Zeit der Öffnung der Anlagen schon deutlich ausgeglichener (M = 4,73, SD = 0,703). und auch insgesamt viel besser zu fühlen (M = 4,78, SD = 0,644), seit sie wieder trainieren können (Skala 1 = stimme überhaupt nicht zu bis 5 = stimme vollkommen zu).

Mentale Gesundheit durch Training

Die Ergebnisse zum mentalen Befinden untermauern deutlich, wie positiv sich das Training in Fitness- und Gesundheitsanlagen schon jetzt auf die mentale Gesundheit der Trainierenden auswirkt.

Gerade vor den immensen psychischen Belastungen durch die Lockdowns muss die positive Wirkung, die das Saarland-Modell hier ermöglicht, Berücksichtigung in der Pandemiebekämpfung finden.

Befürwortung des 'Saarland-Modells' durch die Trainierenden

Insgesamt sprechen sich die Trainierenden auch in der dritten Woche sehr stark für das 'Saarland-Modell' aus (M = 4,59, SD = 0,915).

Betreiber sehen das Modell etwas kritischer (M = 3,50, SD = 1,354), was vor allem mit der geringen Wirtschaftlichkeit zu begründen ist (Skala zur Befürwortung des 'Saarland-Modells': 1 = überhaupt nicht, 5 = absolut ja).

Fitnesstraining in Pandemiebekämpfung berücksichtigen

Wie schon in der Befragung der ersten Woche sind sowohl die Trainierenden (M = 4,78, SD = 0,644) als auch die Betreiber (M = 5,00) der starken Auffassung, dass Fitnesstraining als bedeutsame Gesundheitsdienstleistung in der Pandemiebekämpfung berücksichtigt werden muss.

Gesundheitsdienstleistung Fitness

Fazit und Kritik

Das 'Saarland-Modell' leistete einen wesentlichen Beitrag zur körperlichen wie mentalen Gesundheit der Trainierenden – bei einem vergleichsweise sehr geringen Infektionsrisiko und gut funktionierenden Hygienekonzepten in den Anlagen.

Eine hohe Bereitschaft zu regelmäßigen Schnelltests ist dem Ziel der Infektionseindämmung ebenfalls äußerst dienlich.

Die weitgehende Einstellung des Modells mit Greifen der 'Notbremse' zum 24. April 2021 ist damit vor dem Hintergrund des starken Gesundheitsnutzens als Rückschritt in der Pandemiebekämpfung zu werten.

Fitness- und Gesundheitsanlagen müssen in ihrer bedeutenden Wirkung auf körperliche wie psychische Gesundheit berücksichtigt werden. Den Menschen dürfen diese zentralen Gesundheitsnutzen nicht weiter vorenthalten werden.

Auf einer immer stärkeren wissenschaftlichen Grundlage plädiert der Arbeitgeberverband deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV) weiter dafür, Fitnesstraining als wesentlichen Baustein der Pandemiebekämpfung zu integrieren und die Anlagen im gesamten Bundesgebiet möglichst priorisiert wieder zu öffnen.


Über die Autorin

Die promovierte Betriebswirtin Prof. Dr. Sarah Kobel ist als Dozentin und Tutorin an der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG) sowie der BSA-Akademie im Bereich Ökonomie tätig.
Durch ihre wissenschaftliche Tätigkeit und Promotion am Institut für Konsum- und Verhaltensforschung an der Universität des Saarlandes besitzt sie fundierte Kenntnisse in der Konzeption, Durchführung und Auswertung empirischer Untersuchungen.



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