Management | Autor/in: Aris Theodorou |

Teammitglieder finden und binden

Die Themen Personalgewinnung und Mitarbeiterbindung werden für Physiotherapieeinrichtungen angesichts des anhaltenden Fachkräftemangels und der starken Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt immer wichtiger. Mit welchen Lösungsstrategien man neue Mitarbeitende erfolgreich finden, motivieren und binden kann, erfahren Sie in diesem Artikel.

Mitarbeitergewinnung und -bindung in der Physiotherapie

Angesichts des Fachkräftemangels, der hohen Nachfrage nach physiotherapeutischen Dienstleistungen sowie organisatorischer Herausforderungen im Rahmen des Praxismanagements haben viele Physiotherapieeinrichtungen mit Personalengpässen und steigendem Kostendruck zu kämpfen (Kreis, 2021).

Vergleichszahlen zeigen, dass vakante Stellen in der Physiotherapie meist nur sehr schwer und mit großem Zeit- und Recruitingaufwand besetzt werden können. Im Jahr 2017 dauerte es durchschnittlich 144 Tage, bis eine freie Position in der Branche besetzt werden konnte (Nier, 2017).


FOLGEN Sie uns bei LinkedInFacebookInstagram & X
und verpassen Sie keine Fitness-NEWS mehr!


Im Jahr 2023 lag der Wert bei 236 Tagen (Bundesagentur für Arbeit, 2023). Zum Vergleich: Die allgemeine Vakanz auf dem Gesamtarbeitsmarkt lag Ende November 2023 bei durchschnittlich 154 Tagen.

Bleiben offene Stellen zu lange unbesetzt, führt dies nicht nur zu hohen Personalsuchkosten, sondern auch zu Produktivitätsverlusten und Mehrbelastungen für das bestehende Praxispersonal.

Recruitingstrategien auf den Prüfstand stellen

Umso wichtiger ist es, dass Praxen diesen Entwicklungen mit geeigneten Rekrutierungsmaßnahmen (Rolli, 2022) und ganzheitlichen Lösungsstrategien begegnen (Abb. 1). Eine wichtige Grundlage hierfür bilden Situations-/Personalbedarfsanalysen sowie eine Überprüfung der eigenen Bewerbungsprozesse und Rekrutierungskanäle (Rottmann & Witte, 2019; Kannig, 2017).

Dabei gilt es u. a. zu klären, wie lange Stellen unbesetzt bleiben, wie groß der HR-Aufwand ist, wie hoch der Bewerbungsrücklauf ausfällt und welchen Return die unterschiedlichen Rekrutierungskanäle erzielen. Auf dieser Basis sollten Optimierungsmaßnahmen geplant und umgesetzt werden.


Über den Autor

Aris Theodorou, M. A. Prävention und Gesundheitsmanagement, ist Mitarbeiter des Career Service der Deutschen Hochschule für Prävention und Gesundheitsmanagement (DHfPG).

Dort berät er Arbeitgeber sowie Studieninteressierte zu ihren Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Er blickt auf über zehn Jahre Berufserfahrung auf dem Ersten und Zweiten Gesundheitsmarkt zurück.


Im Hinblick auf geeignete Rekrutierungskanäle geben Studienergebnisse wichtige Hinweise: Laut einer Umfrage nutzen 42 Prozent der Befragten in erster Linie einschlägige Online-Jobplattformen für die Stellensuche (softgarden, 2020).

Neben der Nutzung von allgemeinen Jobbörsen wie Stepstone oder Indeed empfiehlt es sich, auch spezialisierte und branchennahe Jobbörsen wie aufstiegsjobs.de, physio-deutschland.de und physiomatch.com zu nutzen. Diese Plattformen erhöhen die Erfolgschancen und helfen, passende Bewerberinnen und Bewerber zu finden.

Im Rahmen des „Active Sourcings“ (Walter & Matar, 2023) bieten viele dieser Jobplattformen verschiedene Filter- und Anpassungsmöglichkeiten an, um z. B. Stellenausschreibungen automatisiert zu versenden und somit Bewerbungsprozesse einfacher und schneller zu gestalten.

Als attraktiver Arbeitgeber klar positionieren

Eine eigene professionelle Karriereseite wird für Arbeitgeber angesichts des starken Wettbewerbs immer relevanter und bietet viele Vorteile. Sie ist ein wichtiges Aushängeschild und dient als zentrale Anlaufstelle für Interessenten und Bewerber (Müller, 2023).

Dort sollten moderne Stellenanzeigen übersichtlich platziert und direkte Bewerbungsmöglichkeiten über Call-to-Action-Felder („Jetzt bewerben“ oder „Werde Teil unseres Praxisteams“) angeboten werden.

Gleichzeitig können über Videos und Statements authentische Einblicke in den Praxisalltag sowie unterschiedliche Tätigkeitsfelder, Aufstiegschancen und Jobperspektiven im Unternehmen aufgezeigt werden. Eine aussagekräftige Karriereseite weckt Interesse und schärft den Arbeitgeberauftritt, was sich positiv auf die Außenwahrnehmung und die Erfolgschancen auswirkt.

Die Inhalte der Karriereseite können auch für das Social-Media-Recruiting genutzt werden. Businessnetzwerke wie LinkedIn oder XING bieten passende Möglichkeiten, um das eigene Netzwerk und die Reichweite der Community zur Personalgewinnung zu nutzen (Braehmer, 2023).

Facebook, Instagram und TikTok sind weitere relevante Plattformen, um gerade die jüngere Zielgruppe zu erreichen und Interessierte, beispielsweise für ein duales Studium, zu begeistern.

„Candidate Journey“ zum Erlebnis machen

Ein ganzheitlicher Ansatz, um alle Phasen des Bewerbungsprozesses abzubilden, ist die „Candidate Journey“. Sie beschreibt den Weg und alle wichtigen Touchpoints vom Erstkontakt über den Bewerbungs-/Auswahlprozess bis zum Vertragsabschluss oder zur Absage (Wisotzky, 2023).

Die daraus resultierenden Erfahrungen werden als „Candidate Experience“ bezeichnet. Dieser Recruitingansatz hilft dabei, jede einzelne Phase so nutzerfreundlich, flexibel und effizient wie möglich zu gestalten. Ziel ist es, die Interessenten/Bewerber in den Mittelpunkt des Recruitingprozesses zu stellen (Scherhag, 2020).

Dazu gehören u. a. einfache Kontaktmöglichkeiten, niedrigschwellige Bewerbungsverfahren, schnelle Reaktionsquoten, transparentes Feedback und ein professioneller, freundlicher Umgang mit allen Bewerberinnen und Bewerbern.

Die Digitalisierung bietet zahlreiche Möglichkeiten, um den Bewerbungsprozess zu einem informativen und transparenten Erlebnis (automatische Updates zum Stand des Bewerbungsprozesses, weiterführende Infos/Einblicke zum Ablauf des Vorstellungsgespräches usw.) zu machen und gleichzeitig das eigene Recruiting besser zu strukturieren.

Dieses Vorgehen schafft neue Mehrwerte, spart langfristig Zeit und Ressourcen und hilft, offene Stellen schnellstmöglich zu besetzen. Je professioneller Unternehmen hier agieren, desto besser können sie sich von ihren Mitbewerbern abheben und sich als moderner sowie attraktiver Arbeitgeber positionieren (Capelan & Colbus, 2023).


Lesetipp: Mehr zum Thema erfahren Sie im Fachartikel von Anna Colbus und Karl Drack „Employer Branding im Gesundheitswesen“.


Onboarding und effektive Mitarbeiterbindung

Mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrages beginnt die „Employee Journey“, die über die langfristige Zufriedenheit und Loyalität der Mitarbeitenden entscheidet (Wisotzky, 2023).

Gerade in der Physiotherapie, in der die Arbeitstätigkeit oft mit einer hohen emotionalen/moralischen Verbundenheit mit dem Berufsbild einhergeht, besteht ein großes Potenzial, Mitarbeitende zu Fans zu machen und für eine sinnstiftende Arbeit in der Praxis langfristig zu begeistern.

Durch ein professionelles Onboarding kann der Einstieg erleichtert und so der Grundstein für eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung gelegt werden (Schumann, 2021). Ein Onboarding umfasst die fachliche, werteorientierte und soziale Integration und beginnt mit dem ersten Tag im Unternehmen (Bentum, 2023).

Der Onboardingprozess sollte individuell auf den jeweiligen Arbeitsbereich (Therapie, Verwaltung, Management etc.) abgestimmt sein und regelmäßige Feedback-/Entwicklungsgespräche beinhalten.

Eine erfolgreiche Mitarbeiterbindung setzt eine förderliche und mitarbeiterorientierte Organisationskultur voraus. Badura und Ehresmann (2016) verdeutlichen, dass je höher die Qualität der Organisationskultur (gemeinsame Werte, Überzeugungen) ist, umso höher die Akzeptanz und Unterstützung durch die Mitarbeitenden ausfällt.

Wichtig ist vor allem auch ein Abgleich, ob Anreize und Versprechungen, die bei der Einstellung gemacht wurden, auch tatsächlich eingehalten werden (Smith, 1976). Im Idealfall sollten die Erwartungen der Mitarbeitenden erfüllt und im besten Fall sogar übertroffen werden.

Mitarbeiterförderung und Weiterbildung

Die Mitarbeiterförderung ist ein mehrdimensionaler Prozess und sollte zielgerichtet und stärkenorientiert erfolgen. Schaumburg (2023) erläutert, dass es dabei nicht darum geht, das Team in möglichst viele Schulungen zu schicken, sondern die Entwicklung der einzelnen Teammitglieder systematisch mit realistisch gesetzten Zielen zu fördern und sie in ihrer Entwicklung zu unterstützen.

Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf die individuelle Fort- und Weiterbildung gelegt werden. Je nach Tätigkeitsfeld, Bedarf und Interesse bieten sich Qualifizierungen in den Bereichen Praxismanagement, Sport- und Bewegungstherapie, Online-Marketing u. v. m. an. Investitionen in die Mitarbeiterqualifikation zahlen sich mehrfach aus:

Sie steigern die Produktivität, schaffen neue Mehrwerte für Praxen sowie die Patientinnen und Patienten und sind ein Zeichen der Wertschätzung und des Vertrauens gegenüber den Mitarbeitenden.

Gemeinsame Workshops und Teamevents stärken den Zusammenhalt und tragen dazu bei, aus neuen Mitarbeitenden langfristig engagierte und loyale Teammitglieder zu formen, die sich mit ihren Stärken, Kompetenzen und Talenten in das Unternehmen einbringen und dieses aktiv mitgestalten.

Loyale Mitarbeitende als Markenbotschafter

Für das Employer Branding und den Aufbau einer starken Arbeitgebermarke sind zufriedene und loyale Mitarbeitende von zentraler Bedeutung (Colbus & Drack, 2020).

Als „Corporate Ambassadors/Influencers“ (Weinländer, 2023) sind sie wichtige Botschafter, die die Unternehmenswerte authentisch nach außen tragen und so nachhaltig für ein positives Arbeitgeberimage und bessere Rekrutierungserfolge sorgen können.


Fazit

Um dem Fachkräftemangel zu begegnen und Personalengpässen vorzubeugen, brauchen Physiotherapieeinrichtungen zeitgemäße Recruiting- und Mitarbeiterbindungsstrategien, die nahtlos ineinandergreifen.

Dabei gibt es keine allgemeingültige Lösung, vielmehr gilt es, die vorhandenen Potenziale/Möglichkeiten bestmöglich zu nutzen. Mit innovativen Ansätzen, wie der „Candidate Journey“ und dem „Active Sourcing“, können Arbeitgeber ihre Erfolgschancen auf dem umkämpften Arbeitsmarkt erhöhen.

Nach erfolgreicher Suche gilt es, Mitarbeiter professionell einzuarbeiten, individuell zu fördern und sinnvoll einzusetzen, um weitere Teammitglieder zu gewinnen.


Auszug aus der Literaturliste

Colbus, A. & Drack, C. (2020). Warum Employer Branding immer wichtiger wird. medical fitness and healthcare, 02, 44–46.

Scherhag, M. (2020). Candidate Centricity: Der Kandidat im Mittelpunkt des Recruiting-Prozesses. In T. Verhoeven (Hrsg.), Digitalisierung im Recruiting: Wie sich Recruiting durch künstliche Intelligenz, Algorithmen und Bots verändert (S. 67–77). Wiesbaden: Springer.

Walter, C. & Matar, Z. (2023). Employer Branding und Active Sourcing: Statt Recruiting und Bewerbermanagement. In C. Walter & Z. Matar (Hrsg.), Internationale Fachkräfte für die DACH-Region: Finden, binden und entwickeln in einer Arbeitswelt der Zukunft (S. 53–65). Wiesbaden: Springer.

Wisotzky, H. H. (2023). Grundlagen zur Candidate Journey und Experience. In H.H. Wisotzky (Hrsg.), Die perfekte Candidate Journey & Experience: Erfolgreiches Recruiting für mittelständische Unternehmen und Start-ups (S. 51–59). Berlin/Heidelberg: Springer.

Für eine vollständige Literaturliste kontaktieren Sie bitte marketing@dhfpg-bsa.de.

Diesen Artikel können Sie folgendermaßen zitieren:

Theodorou, A. (2024). Teammitglieder finden und binden. medical fitness and healthcare, 1, 68–71.

Diesen und weitere Artikel finden Sie in der mfhc 01/2024 & für Abonnenten EXKLUSIV vorab.

Zum Abonnement
mfhc 01/2024